29 November 2006

Fraternisierung im Mekong-Delta

Ich bin in Vietnam, dem dritten Land meiner Asien-Tour und um es kurz zu machen: Ich liebe es. Schon auf der Anreise beschlich mich die Vermutung, dass es mir unter Ho Chi Minhs Ahnen durchaus gefallen könnte. Eine Rolle dabei spielte sicher die Beschreibung eines deutschen Mitreisenden*, der seine Zeit in Vietnam wie folgt zusammenfasste: "Die Unterkünfte sind etwas teurer, aber das Essen ist billiger und besser." Mittlerweile weiß ich: Er hat recht - und auch ansonsten ist Vietnam für Reisende meines Schlags ein Traum. Als kleines Beispiel dient mein erster Abend in Chau Doc, einer mittelgroßen Stadt am Rande des Mekong-Deltas.
Nachdem ich dort am Nachmittag angekommen und recht zügig ein Hotel gefunden hatte, wollte ich eigentlich nur mehr einen ruhigen Abend verbringen, da bereits am nächsten Tag die Weiterreise anstand. Doch beim Spaziergang durch Chau Doc lag mir ein kleiner Vietnamese auf seinem Fahrrad-Taxi so lange in Ohren, bis ich schließlich zu einer Stadtrundfahrt einwilligte. Zudem, ich gebe es zu, hatte ich mich heillos verirrt und benötigte dringend einen Geldautomaten. Also sprang ich auf den Anhänger und ließ mich zwei Stunden durch Chao Doc kutschieren. Nach Markt und Pagode ging es auf den nahen Berg Sam, wo ich mit einem traumhaften Sonnenuntergang belohnt wurde. Da Loss, der kleine Vietnamese mit dem brüchigen Englisch, irgendwann schweißgebadet und völlig außer Puste war, wechselten wir kurzfristig die Rollen, so dass er es sich auf dem Anhänger bequem machen durfte - sehr zur Belustigung seiner Landsleute, die mich lachend anfeuerten.
Als Loss schließlich von Dannen gezogen war - mit zwei Dollar in der Hand und einem strahlenden Grinsen von Ohr zu Ohr - zwang mich mein nimmermüder Hunger ein weiteres Mal aus dem Hotel. Von Abenteuerlust gepackt, scheute ich den Restaurant-Tipp der Hoteldame und suchte stattdessen das erstbeste Lokal auf, das bis zum letzten Platz mit Vietnamesen gefüllt war. Nun weiß ich nicht, wie Freizeitgestaltung in Chau Doc gewöhnlich aussieht, doch wenn man die Aufruhr betrachtet, die mein Besuch auslöste, dann kann es damit nicht weit her sein. Als wäre ich ein neunköpfiger Drache, verfolgte das gesamte Lokal begeistert, wie ich mit Hilfe des Sprachführers Reis (com) mit Huhn (ga) bestellte. Ihren Blicken zu urteilen, hatten sie wohl halb damit gerechnet, dass ich das Essen - ganz wie die Außerirdischen bei Münchhausen - durch eine Klappe in meinen Bauch schieben würde, doch selbst ohne solche Einlagen muss ich eine gute Show geboten haben.
Als die Nachbarrunde sich genug Mut angetrunken hatte, luden sie mich an ihren Tisch ein. Da ihr Englisch und mein Vietnamesisch sich jedoch auf Augenhöhe begegneten, verlegten wir uns nach den wichtigsten Fragen zu Name, Alter und Familienstand (Patsii, 26, verheiratet) schnell aufs Trinken. Unter den Anfeuerungen meiner neuen Freunde leerte ich dabei wiederholt das mir angebotene Glas pflichtbewusst in einem Zug, nur um keine fünf Minuten später erneut zum Trinken aufgefordert zu werden. Ich weiß noch immer nicht, was das Teufelszeug in der Plastikflaschen war - Reisschnaps oder der berüchtigte Mekong-Whiskey? - doch es war keineswegs so harmlos, wie es schmeckte. Entsprechend dauerte der sich inzwischen schlängelnde Heimweg etwas länger, wobei ich es mir nicht nehmen ließ, dem Süßigkeiten-Stand am Straßenrand noch einen Besuch abzustatten. Donut, Windbeutel und Popcorn verdrückte ich schließlich unter Chau Docs Sternenhimmel auf dem Hotelbalkon - zusammen mit einer dringend benötigten Flasche Wasser und der Erkenntnis: In Vietnam lässt es sich urlauben.
P.S. Da es mir im Mekong-Delta so gut gefällt, habe ich den Saigon-Plan nach hinten verschoben. Nach zwei Tagen in Ha Tien - wo mich nunmehr jeder zweite Einwohner als "den verrückten Weißen auf dem Fahrrad" kennt und grüßt - geht es morgen nach Phu Quoc. Die Insel ist eines der beliebtesten Reiseziele der Vietnamesen und lockt angeblich mit weißsandigen Traumstränden. Aber das wäre ja dann doch zuviel des Guten, oder?
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Loss, mein Fuehrer in Chau Doc, und ich staerken uns bei einer frischen Kokosnuss

*Nicht dass relevant wäre, aber er hieß Gunfried aka "nenn mich einfach Fisch", 32, Sozialpädagoge aus Leipzig - und, ja, genau so sah er aus.

25 November 2006

Spirituelles aus Phnom Penh

Liebe Freunde,
für mein restliches Leben habe ich ausgesorgt. Geld, Macht, Frauen - sowie sekundäre Lebensziele wie Gesundheit oder Liebe - sind mir nicht mehr zu nehmen. Warum? Nun, am besten erklärt das wohl folgende Geschichte.

Es ist Nachmittag in Kambodschas quirliger Hauptstadt Phnom Penh und ich tigere unruhig durch das Gelände des Wat Ounalom. Nicht zum ersten Mal an diesem Tag besuche ich die Tempelanlage am Flussufer. Bereits sechs Stunden zuvor hatten mich die kunstvollen Gebäude, die bunten Chedi-Gräber und die dem Ort angemessene Ruhe zu einem Rundgang bewegt. Zugegeben, er dauerte nur 15 Minuten, doch wenn man wie ich in den letzten 25 Tagen etwa ebenso viele Tempel gesehen hat, dann reicht das auch. Zudem knurrte mein Magen und in Gedanken wog ich bereits das chicken curry gegen fried noodles with beef ab. Wie ignorant und fahrlässig - doch leider wurde mir das erst beim Nachmittagskaffee und der Lektüre meines Reiseführers bewusst. Denn Wat Ounalom ist nicht irgendein Tempel. Hier bewachen Mönche einen Schatz: Ein Haar aus Buddhas Augenbraue! Hätte ich doch nur das Khmer-Wörterbuch studiert - ounalom heißt übersetzt Augenbraue - anstatt mich mit niederen Gelüsten wie dem Mittagssnack zu beschäftigen. Ein Augenbrauenhaar von Buddha! Das ist in etwa so, wie wenn eine europäische Kirche einen Fingernagel von Jesus aufbewahrt hätte. Entsprechend habe ich den Kaffee hinuntergestürzt und bin sofort zum Wat Ounalom zurückgekehrt. Das Problem: Mein Reiseführer verrät nicht, wo das Heiligtum versteckt ist oder ob man es gar sehen darf.
So irre ich nun durch die Tempelanlage, immer auf der Ausschau nach Schreinen aus Panzerglas oder zumindest einem versteckten Wegweiser mit markant-buschiger Braue à la Waigel aufgepinselt. Aber Fehlanzeige - kein Pfeil, kein Kästchen, keine Braue und niemand, der mir weiterhelfen kann. Doch plötzlich regt sich etwas neben mir und eine zuvor im Schatten dösende Gestalt springt auf - sicher schon über 60, in Unterhemd und barfuß, mit zerzausten, weißen Haaren. Zuerst schaut er mich verdutzt an, doch dann beginnt er in Khmer loszubrabbeln. Eilig kommt er auf mich zu, so dass ich zunächst befürchte, dass er ob der Störung seiner Nachmittagsruhe erbost ist. Das wäre eine BILD-Schlagzeile: "Greiser Mönch schlägt Münchner (26) krankenhausreif". Doch der Alte will nichts Böses. Im Gegenteil: Mit einem Schlüssel in der Hand zieht er mich zu der niedrigen Tür eines unscheinbar grauen Beton-Chedis. Nun, ihr ahnt sicher schon, was sich darin verbirgt? Richtig! Ein kleiner Schrein mit Opferschale, schwarzer Buddha-Figur und meinem persönlichen Gral: Der Augenbraue. Ehrfurchtsvoll knie ich mich auf die Betmatte. Weiter vor sich hinredend entzündet der Mönch drei Räucherstäbchen und drückt sie mir mit gewichtiger Miene in die Hand. Während ich sie in die Opferschale stecke, murmelt er das wohl einzige englische Wort, das ihm geläufig ist: "Eyebrow! Eyebrow!"
Doch damit nicht genug. Als ich schon wieder aufstehen will, hält mein neuer Buddha-Mentor mich fest und holt eine kleine Schale mit zweifellos heiliger Flüssigkeit hervor. Buddhas Schweiß? Tränen? Speichel? Nur Vermutungen meinerseits. Während der Mönch minutenlang Segenssprüche in Khmer herunterrattert, verpasst er mir mit einem kleinen Zweig mehrere Ladungen des Zauberwassers. Danach hat der Alte seine Zeremonie beendet. Er nimmt meine Hand und führt mich wieder nach draußen - mit dem gleichen freundlichen Lächeln und ohne einen Cent dafür zu verlangen. Zum Glück erspähe ich in der Ecke gerade noch einen hölzernen Spendenkasten, in den ich eilig einige zerknitterte Scheine stecke. Wer will schon knausern, wenn er gerade vor einer heiligen Reliquie gesessen und von einem weisen Mönch gesegnet worden ist? Denn die religionsübergreifenden Ziele solcher Zeremonien kennen wir doch alle: Geld, Ruhm, Macht, Frauen und von allem nicht zu knapp.
Solltet ihr euch also wundern, warum ich nach der Rückkehr von meiner Weltreise (a) mit Geld um mich werfe, (b) ständig in Fernsehen und Forbes-Listen auftauche und (c) alle zwei Tage Partys mit einflussreichen Politikern und schwedischen Unterwäschemodels feiere, wisst ihr jetzt warum. Und wenn ihr neidisch seid, hier mein Rat: Fliegt nach Phnom Penh, geht ins Wat Ounalom und sucht nach diesem Schrein:
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Schrein mit Buddhas Augenbraue - und meinen drei Räucherstäbchen

Ansonsten war Phnom Penh übrigens eine angenehm zu besuchende, interessante Stadt und ein schöner Abschluss meiner Reise durch das immer aufregende Kambodscha (Eine letzte Fotostrecke von dem Land gibt es hier). Nun geht es nach Vietnam, wo nach einem Abstecher ins Mekong-Delta ein ganz anderes Kaliber von Großstadt wartet: Ho Chi Minh City, das frühere Saigon. Mein Reiseführer bezeichnet die überschäumende 6-Millionen-Metropole als "Frontalangriff auf die Sinne" und hält fest: "Straßenkinder durchstreifen die einschlägigen Viertel, kriegsversehrte Bettler robben mit primitiven Brettern auf Rädern durch die Straßen und Taschendiebe schleichen mit Argusaugen umher." Aber mal ehrlich, was soll einem kürzlich gesegneten, semi-professionellen Pseudo-Buddhisten, der die Braue Siddhartas erblickte, schon passieren?

21 November 2006

Ein Wiedersehen in Kampot

Hund, Affe, Ratte, Heuschrecke oder Schlange - ich hatte ja mit vielem gerechnet. Aber Ziege? Eine gewöhnliche Ziege! Ausgerechnet ein Tier also, dass man auch bei uns Zuhause auf dem Speiseplan findet, hat meinem bisher so robusten Magen die erste Niederlage in Asien zugefügt. Dabei war es noch nicht einmal ein Snack an einer der billigen Garküchen, wo die Hygiene-Standards noch niedriger sind als die sagenhaft günstigen Preise. Nein, es war ein richtiges Restaurant am Flussufer, sogar eines der besseren in Kampot, wo mir die folgenschwere Ziege ("Fried Goat with Rice") serviert wurde. Keine Frage, sie hat wirklich gut geschmeckt, doch in der gleichen Nacht gab es ein unschönes Wiedersehen - diesmal nicht am Esstisch, sondern im Bad, während ich mit beiden Händen die Kloschüssel umklammerte. Wenigstens weiß ich jetzt: Ziege = keine gute Idee.
Ungleich klüger war dagegen die Entscheidung, mir für den Tag nach unserer Tour durch den Bokor National Park ein Moped auszuleihen. Denn obwohl man sich in Kampot die von Schlaglöchern gesäumte Straße mit Handwägen, Ochsenkarren, Kühen und Schweinen teilt, hat das Fahren wirklich Spaß gemacht. Zudem habe ich in den Stunden auf der knatternden Maschine ein für meine Südostasien-Reise gänzlich neues Gefühl erlebt - nämlich dank des Fahrtwindes nicht zu schwitzen. Bei 25 (Nacht) bis 35 Grad im Schatten ist man hier ansonsten permanent in eine glänzende Schweißschicht gehüllt. Entsprechend gut gelaunt ging es mit dem Moped zuerst zum Picknicken in den etwa 30 Kilometer entfernten ehemaligen Badeort Kep und danach in Kampots Zoo. Letzterer war wirklich nett, mit jeder Menge exotischen Raubtieren, die scheinbar ausgehungert und missmutig in wackligen, durchgerosteten Käfigen umhertigerten - wahrscheinlich um dem einzigen Besucher an diesem Tag, mir, für den happigen Touristenpreis von vier Dollar (Einheimische zahlen 20 Cent) zumindest ein wenig Nervenkitzel zu bescheren. Eine Tierart habe ich bei meinem Rundgang übrigens bewusst ausgelassen: Die Ziegen.

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keep your motor running...

P.S. Genug von Idylle, Tieren, Strand und Mopedfahrten durch wunderschöne Landschaften - in wenigen Stunden bringt mich der Bus in Kambodschas Haupt- und Millionenstadt Phnom Penh. Dort warten mit Abgasen geschwängerte Luft, ein an Mario Kart erinnernder Großstadtverkehr und ungezählte kleine Asiaten, die nur darauf warten mir - legal wie illegal - das Geld aus der Tasche zu ziehen. Ich freue mich...

18 November 2006

König Bhumibol vs. Prinz Edmund

Vier Tage lang habe ich die Strände Sihanoukvilles genossen und die weitläufige Stadt mit dem Leihfahrrad erkundet. Doch das war genug: Deshalb ging es gestern im Sammeltaxi nach Kampot, einer verschlafenen Provinzstadt Kambodschas, die hauptsächlich Ausgangspunkt für Ausflüge in den nahen Bokor National Park ist.
Da ich euch nicht mit Berichten von Sonne, Strand, Meeresrauschen und eisgekühlten Frucht-Shakes langweilen oder mit Fotos von mir in Badehose schockieren will, gibt es nun vorab schon einmal den Merkur-Artikel von diesem Wochenende (17.11.). Er schaut noch einmal zurück nach Thailand und trägt den Titel: König Bhumibol vs. Prinz Edmund.

Der Garchinger Journalist Patrik Stäbler hat im Sommer sein Studium beendet. Nun erfüllt sich der 26-Jährige einen Traum: In sechs Monaten reist er einmal um die Welt. An dieser Stelle berichtet er alle zwei Wochen von seinen Erlebnissen.
Bangkok, Thailand (ps) - Ich bin gebürtiger Bayer: Mit Monarchien kenne ich mich aus. Dachte ich zumindest. Doch seit ich durch Thailand reise, weiß ich es besser. Dort regiert nämlich König Bhumibol Adulyadej und im Vergleich mit dem 79-jährigen Monarchen können die Machthaber im Freistaat nicht mithalten. Denn Bhumibol ist hier allgegenwärtig. Das Bild des kleinen Mannes mit der Brille hängt in Ämtern, Schulen, nahezu allen Haushalten und an jeder zweiten Straßenecke. Sogar in den winzigen Garküchen und Tuk Tuk-Taxis Bangkoks findet man das Konterfrei des Monarchen, der seit einem Autounfall am Genfer See ein Glasauge trägt. Stellen Sie sich das mal bei uns vor: Edmund Stoiber im Posterformat über dem Esstisch. Oder überlebensgroß alle 100 Meter auf der Kaufingerstraße. Richtig, undenkbar.
Doch Bhumibol ist nicht nur omnipräsent, sondern aufgrund seines sozialen Engagements und den über 1.000 königlichen Hilfsprojekten auch ungemein populär. Als der weltweit am längsten regierende Monarch im Sommer 60-jähriges Thronjubiläum feierte, rissen sich die Thais die zu diesem Anlass produzierten T-Shirts förmlich aus den Händen. An der offiziellen Ausgabestelle kostete das gelbe Hemd mit dem Königssymbol umgerechnet vier Euro, doch aufgrund der langen Wartezeiten wurde auf dem Schwarzmarkt das Drei- bis Vierfache bezahlt. Bhumibol, der seit einer Volkabstimmung 1987 den offiziellen Beinamen "der Große" trägt, prangt selbstverständlich auch auf allen Banknoten. Entsprechend warnen Reiseführer davor, Scheine zu knicken, bekritzeln oder auf sie zu treten. Das wäre Majestätsbeleidigung und die ist in Thailand ein ernstes Vergehen, für das man noch vor zwei Jahrzehnten im Gefängnis landete.
Meine liebste Bhumibol-Anekdote hat jedoch mit der Schattenseite seines Ruhms zu tun. Als der König nämlich einst in seinem Heim einen Kreislaufkollaps erlitt und zusammenbrach, konnten die anwesenden Thais nur hilflos zusehen. Schließlich ist es Palastdienern strengstens untersagt, den Monarchen zu berühren. Erst ein eilig herbeigeholter europäischer Arzt konnte Bhumibol von seinen Leiden erlösen - gerade noch rechtzeitig, wie man berichtet.
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König Bhumibol ist in Thailand omnipräsent: Hier gleich doppelt an einem Hochhaus in Bangkok

15 November 2006

Gestrandet

Verkehr, Lärm, Dreck, Menschenmassen - nach der Ankunft des Busses in Phnom Penh entschied ich spontan, die Erkundung der Hauptstadt um einige Tage zu verschieben und erst einmal in Richtung Meer zu fliehen. Die Folge: Keine vier Stunden später stand ich am Busparkplatz von Sihanoukville, der nach dem kürzlich abgetreteten König benannte Küstenstadt, die in Kambodscha am ehesten den Namen Badeort verdient. Nun liege ich also den lieben, langen Tag an einsamen Stränden, lasse mich von der Sonne bräunen und schlürfe eisgekühlte Fruchtshakes - mal sehen, wie lange ich das aushalte.

Sonnenuntergang am Victory Beach in Sihanoukville

12 November 2006

Zwischenstopp in Battambang

Die angesprochene Bootsfahrt nach Battambang war weniger schlimm als befürchtet. Zwar wurde ich aufgrund meiner unklugen Platzwahl (erste Reihe links) ordentlich nass, bekam Äste der vorbeirauschenden Bäume ins Gesicht gepeitscht und Knie wie Ellenbogen meiner linken Seite ziert ein feuerroter Sonnenbrand. Jedoch hatte ich nach dem Bericht eines englischen Backpackers, der tags zuvor von einer beängstigenden Bootsfahrt in Laos berichtet hatte, weit Schlimmeres befürchtet. Lediglich an das kambodschanische Zeitgefühl - statt der geplanten Abfahrt 7 Uhr und Ankunft 11 Uhr starteten wir um 8 Uhr und kamen um 14 Uhr an - muss ich mich noch gewöhnen.
Noch eine nette Anekdote: Am Pier in Battambang erblickte ich zu meiner Verwunderung einen kleinen Kambodschaner, der eifrig ein Schild mit "Mr. Patrik" umherwedelte. Wie ich von ihm erfuhr, hatte der äußerst freundliche Chef meines letzten Guesthouse in Siem Reap ungefragt ein Zimmer für mich in Battambang reserviert (die bereits angesprochene Vetternwirtschaft). Da es sich dabei zugleich um das Guesthouse handelte, in dem ich ohnehin absteigen wollte, ging es im kostenlosem Minibus direkt weiter ins "Royal Hotel". Hier waren alle Einzelzimmer ausgebucht, so dass ich zum gleichen Sparpreis (6$) in einem riesigen Doppelzimmer nächtigte - mit zwei Betten, Nachtkästchen, Stühlen, Tisch, Garderobe, TV und geräumigem Bad. Einziges Problem: Bei solchem Luxus kommt natürlich keine richtige Backpacker-Atmosphäre auf.
Nach zwei Nächten im beschaulichen, aber durchaus charmanten Battambang (wo die einheimischen Kinder jeden Weißen noch mit "Hello, Hello"-Gebrüll begrüßen) geht es morgen weiter nach Phnom Penh, Kambodschas Haupt- und einziger Millionenstadt. Dort oder sonstwo in Kambodscha bleiben mir dann noch zwei Wochen, da mein Visum für Vietnam erst mit dem 26.11. gültig wird. Doch viel wichtiger als jede Routenplanung: Mama feiert heute im heimischen München ihren Sechzigsten. Daher auch an dieser Stelle: Alles Liebe zum Geburtstag!

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Der äußerst freundliche Chef des Yellow Guesthouse in Siem Reap - mit Ehefrau und mir vor meiner Abfahrt. Er ist zudem der einzige (!) dickliche Kambodschaner, den ich bisher gesehen habe.

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Garküche in Battambang, in der ich für umgerechnet 50 Cent ein Gericht aus Fleisch (keine Ahnung welches), Reis und Gemüse sowie eine Flasche Wasser erstanden habe. Da die beiden Kinder kein Englisch konnten, mussten wir uns per Handsprache verständigen.

10 November 2006

Höllenritt im blauweißen Blitz

Um das Wichtigste vorweg zu nehmen: Die im letzten Beitrag schon angesprochene Busreise von Bangkok, Thailand nach Siem Reap, Kambodscha war ein Abenteuer, wie es richtige Weltreisende wohl lieben. Für mich war es vor allem eines: Schrecklich. Aber wenigstens habe ich nun etwas zu erzählen, wenn ich nach ein paar Bier in trauter Runde nach den "verrückten Anekdoten" meines Trips gefragt werde.
Doch alles schön der Reihe nach, denn die im Reisebüro meines Bangkoker Guesthouse für 300 Bath (7,50 Euro) gebuchte Fahrt fing überraschend komfortabel an. Direkt vor der Tür holte mich um 6.40 Uhr ein geräumiger, klimatisierter Minibus (12 Sitze) ab. Für die rund 200 Kilometer bis kurz vor die kambodschanische Grenze brauchten wir nur knapp drei Stunden, so dass ich mich naiverweise im Geiste schon am Nachmittag durch Siem Reap schlendern sah. In solchen Dingen fehlt es mir wohl noch an Reiseerfahrung - im Basketball nennt man das Rookie-Fehler. Denn nach einer zweistündigen Pause in einem Restaurant ging es nicht mehr im Minibus, sondern in einem umgebauten Truck weiter, in dem wir samt Gepäck in bester Armeemanier aufgereiht wurden. An der Grenze hieß es dann erneut aussteigen und nach den langwierigen Passkontrollen (warten bei 35 Grad im Schatten), waren wir also gegen 3 Uhr endlich in Kambodscha, einem der ärmsten Länder der Welt. Hier bot sich ein grauenhaftes Bild: Baracken, Dreck, Staub, katastrophale Straßen und abgemagerte Kinderhorden, die einem bettelnd am Hosenbein hängen. Das lässt niemanden kalt. Ich habe es nachgelesen: 20 Prozent der kambodschanischen Kinder sterben vor ihrem fünften Lebensjahr. Danach sind 80 Prozent unterernährt.
Nachdem mich unser Führer mit seinem Moped zum Geldwechseln gefahren hatte (1.500 thailändische Bath (34 Euro) für 105.000 kambodschanische Riel (21 Euro) - noch so ein Rookie Fehler) ging es im nächsten Bus weiter. Der war erstaunlich komfortabel, relativ modern, klimatisiert und mit ausreichend Beinfreiheit. Der Haken: Nach nur fünf Minuten war ein erneuter Gefährtwechsel angesagt und diese neue Schrottkiste entbehrt jeder Beschreibung. Deshalb nur dieses Bild:
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Ich hätte Geld gewettet, dass dieses busartige Ding Typ "DDR 60er Jahre" niemals anspringt - und das tat es auch nicht. Also mussten ich und Marco, ein anderer deutscher Backpacker, aussteigen und anschieben, ehe sich der blauweiße Blitz in Richtung "Road Number 6" in Bewegung setzte. Das ist eine von Kambodschas Hauptverkehrsadern, jedoch ohne Asphalt, staubig-dreckig und gepflastert mit kratergroßen Schlaglöchern. Ihr könnt euch das nicht vorstellen: Eingezwängt in meinem winzigen Sitz habe ich Sprünge vollbracht wie noch bei keinem Basketballspiel. Dabei betonte der Führer, dass wir Glück haben: Vor einem Monat noch war die gleiche Straße überflutet und unbefahrbar.
Nach etwa zwei Stunden hatten wir schließlich die ersten 50 Kilometer und damit ein Drittel der Strecke in Kambodscha zurückgelegt, als der Fahrer plötzlich fluchend in einen Parkplatz einbog. Die Übersetzung unseres Führers: Ein Platten (angeblich). Und das rein zufällig vor einem Restaurant, dessen Inhaber später freundschaftlich mit dem Fahrer plauschte. Während wir also dort warteten, machte er sich zum "Reparieren" mit all unserem Gepäck davon. In Gedanken habe ich mich schon von meinem Rucksack verabschiedet und gerätselt, wie lange ich wohl alleine und ohne Nahrung in der Natur überleben kann. Doch nachdem wir ausgehungerten Backpacker brav in dem Restaurant gespeist hatten, tauchte am Horizont der Bus auf und wir konnten unseren Schlaglochslalom nach Siem Reap fortsetzen - mittlerweile im absoluten Dunkeln. Ihr könnt euch meine Erleichterung nicht vorstellen, als nach weiteren vier Stunden - inklusive einem zweiten Stopp bei einem mit dem Fahrer befreundeten Kioskbesitzer - die Lichter von Siem Reap aus der Dunkelheit auftauchten.
Mittlerweile war es gut nach 10 Uhr und da ich mich vorher nicht um eine Unterkunft gekümmert hatte, stand ich nun vor einem neuen Problem: Wo übernachten? Doch glücklicherweise ist Kambodscha in Sachen Vetternwirtschaft, was Brasilien im Fußball ist, und so setzte unser Führer uns direkt vor dem Guesthouse seines Freundes ab. Ich hatte schon die schlimmsten Befürchtungen, doch wieder einmal lag ich falsch. Denn für nur fünf Dollar die Nacht gab es hier ein penibel sauberes und wunderschönes Zimmer mit Ehebett und TV (!) - bei weitem die beste Unterkunft auf meinem bisherigen Trip.
Nach einem Tag Erholung und Stadterkundung in Siem Reap ging es am Donnerstag in aller Frühe zu den rund fünf Kilometer nördlich gelegenen Tempeln von Angkor. Sie sind Weltkulturerbe und eine der größten Touristenattraktionen Südostasiens - vollkommen zurecht. Diese monumentalen Anlagen, die teils von der Natur überwuchert sind, rauben einem wirklich die Worte. Daher verweise ich lediglich auf Fotos und meinen Reiseführer, der festhält: "Es gibt nichts, das den Besucher auf die Erhabenheit von Angkor vorbereiten könnte."
Meine persönliche Bilanz nach einem Tag auf dem Leihfahrrad in dem riesigen Areal: 11 Stunden Sightseeing (5am - 4pm), 147 Fotos und Beine wie Jan Ullrich nach dem Aufstieg nach Alpe d?Huez. Kurzum, es war wirklich beeindruckend. Und wem diese Beschreibung immer noch nicht ausreicht, dem sage ich Folgendes: Allein für diesen Tag in Angkor hat sich der Höllenritt nach Siem Reap gelohnt.

P.S. Morgen geht es auf dem Fluß weiter nach Battambang (ca. 4 Stunden) und in meinem Reiseführer heißt es zu der Qualität der Boote in Kamobodscha: "Mit etwas Glück ergattert man einen Platz auf einem der neueren Boote - die meisten anderen Kähne präsentieren sich in unterschiedlichen Stufen des Verfalls." Na Servus!

Hier findet Ihr Fotos von meinem Ausflug nach Angkor.

06 November 2006

Bangkok - Epilog

Nachtrag: Gestern habe ich einen Tagesausflug nach Ayutthaya unternommen, der ehemaligen Hauptstadt Thailands, knapp eine Autostunde nördlich von Bangkok. Mein Reiseführer empfiehlt den Ort als "besser (als Bangkok), um sich in Thailand zu akklimatisieren" und tatsächlich: Es war grüner, sauberer, ruhiger und am Rande von Bangkoks Smog-Glocke schimmerte sogar ein leichtes blau am Himmel. Zwar sind die mächtigen Palastbauten und Tempel der einstigen Millionen-Metropole Ayutthaya heute nurmehr Ruinen seit die Burmesen die Stadt 1767 bis auf die Grundmauern niederbrannten, jedoch empfand ich den Ausflug trotzdem als höchst angenehm und entspannend. Das mag natürlich auch daran liegen, dass mich den ganzen Tag kein einziger Tuk Tuk-Fahrer oder Anzug-Verkäufer angesprochen hat.
Ansonsten wars das jetzt aber für mich in Thailand, denn morgen geht es in aller Frühe nach Siam Reap, Kambodscha. Die Fahrt in dem Minibus dauert 12 Stunden und dürfte allein schon ein Erlebnis werden (Dame im Reisebüro: "You know, roads are really bad in Cambodia"). In Kambodscha warten dann wohl einerseits andere Verhältnisse, wie mir ein Asien-erfahrenes, deutsches Ehepaar in Bangkoks Dunking Donuts versichert hat ("Da wirst du in die Steinzeit zurückgebombt"). Andrerseits steht jedoch auch Angkor auf dem Programm - monumentale Touristen-Attraktion, Weltkulturerbe der UNESCO und zudem die größte Tempelanlage der Welt. Ich bin gespannt.

05 November 2006

Bangkok, ein Millionen-Moloch

Knapp eine Woche bin ich nun schon unterwegs, doch eines steht bereits jetzt fest: Wenn ich so weitermache wie bisher, dann werde ich zwar nicht verheiratet, wohl aber verändert zurück nach Deutschland kommen - nämlich mindestens 20 Kilo schwerer. Denn hier in Bangkok ist Essen nicht nur spottbillig, sondern nahezu unausweichlich. Neben unzähligen Restaurants verteilen sich auf 50 Metern Straße auch noch durchschnittlich drei Garküchen, die mit den leckersten Snacks locken: Gebratene Nudeln, Frühlingsrollen, Wan Tan, Mango Sticky Rice, Kokosnüsse, Banana Pancakes, verschiedene Sorten frisches Obst... und diese Aufzählung ist nur ein Bruchteil des Gesamtangebots, nämlich genau die Gerichte, die ich bisher probiert habe (frittierte Heuschrecken, Skorpione und Maden habe ich bisher ausgelassen).
Trotz dieser kulinarischen Versuchungen - und das mag den verwundern, der meine Affinität zu lukullischen Genüssen kennt - hat Bangkok mich nicht wirklich für sich gewinnen können. Denn neben Essen gibt es in der Hauptstadt noch mehr im Überfluss: Lärm, Dreck, Armut, Menschen, Hitze, Smog und Verkehr fallen mir spontan ein. Und auch von der in Reiseberichten gerühmten Gastfreundschaft der Thais habe ich hier bisher (noch) nichts mitbekommen. Lediglich jene Personen, die etwas von einem wollen - in 95 Prozent der Fälle ist es über den Tisch ziehen - sind Ausländern gegenüber aufgeschlossen und freundlich bis schleimig. So muss man als Weißer in Bangkok alle 200 Meter im Schnitt drei Tuk Tuk-Fahrer, zwei Anzug-Verkäufer, eine Thai-Masseuse und zwei Restaurant-Lockvögel abwimmeln, sowie je nach Tageszeit Souvenirs, Glücksbringer, Ping Pong- bzw. Banana-Shows oder Massagen mit "Happy End" ablehnen. Glaubt mir: Auf die Dauer nervt das schrecklich.
Fraglos, Bangkok hat auch seinen schönen Seiten: Der beeindruckende Königspalast, prunkvolle Tempel samt gepflegter Parkanlagen und mit dem Skytrain auch das sauberste Nahverkehrsmittel, das ich jemals gesehen habe. Zudem ist die Stadt mit ihren luxuriösen Malls, den unzähligen Straßenständen und den riesigen Märkten ein wahres Einkaufsparadies - für kein Geld der Welt würde ich hierher meine Freundin mitnehmen.
Trotzdem, es bleibt ein schaler Beigeschmack, was sicher nicht nur an dem schäbigen Zimmer im Marco Polo Hostel liegt, in dem ich meine erste Nacht in Bangkok verbringen musste. Eine dreckige, stickige, fensterlose Kammer, in der die Bässe der benachbarten Disko das Bett bis um drei Uhr früh erzittern lassen. Ich bin ja normalerweise nicht zu zimperlich, doch in diesem Loch habe ich mich nicht einmal getraut das Licht auszumachen - auch nicht in der Nacht.
Doch vielleicht war diese Mutprobe ja auch Schicksal, denn mein nächstes Guesthouse - und hier greift das Wort Zufall eigentlich zu kurz - war ausgerechnet jene Bleibe, in der auch mein langjähriger Kumpel Steffen mit Freundin Anja am nächsten Morgen abgestiegen ist. So konnten wir für eine Nacht und einen Tag zusammen Bangkok erkunden und ich denke, unser gemeinsames Fazit beschreibt Anjas Aussage am besten: "Bangkok hat ja schon einige nette Ecken. Aber wenn ich hier länger wohnen müsste - das wäre der pure Horror."

Ein kleine Fotostrecke mit Eindrücken von Bangkok findet ihr hier

03 November 2006

Bangkok - Prolog

Eigentlich sollte hier jetzt eine erste Beschreibung von Bangkok stehen und glaubt mir: Über diese abgedrehte Stadt gibt es wirklich jede Menge zu berichten. Doch leider muss das warten. Oder besser: Zum Glück. Denn gerade als ich gestern auf der Couch meines Guesthouses fläze und die ersten Gedanken zu Bangkok in mein Notizbuch kritzele, da läuft so ein blonder Typ mit seiner ebenso blonden Freundin vorbei. Nicht irgendein Schwede, Russe, anderer Deutscher oder betrunkener Engländer, sondern Steffen! Mein langjähriger Schulfreund, Mitabiturient, Schafkopf-Klopfer und guter Kumpel Steffen! Mit seiner Freundin Anja!
Nun gibt es in Bangkok geschätzte 25.000 Guesthouses (die genaue Zahl werde ich noch googeln) und wer steigt ausgerechnet zu genau dem gleichen Zeitpunkt in genau der gleichen Unterkunft ab und läuft mir praktisch auch noch genau zum passenden Moment durchs Blickfeld? Richtig, Steffen und Anja - die wahrscheinlich einzigen beiden der rund 12 Millionen Menschen in Bangkok, die ich persönlich kenne.
Nun, das musste natürlich gebührend gefeiert werden und so sind wir nach einem Bierchen im Guesthouse zuerst einmal Essen gegangen (lecker Chicken & Rice und ein Papaya Salat). Danach ging es auf Anjas Anraten noch zur Thai Massage - die "Original Thai Massage", und nicht was ihr denkt... -, wo wir uns eine halbe Stunde unter lautem Knacken der Gelenke durchkneten ließen. Ein wunderbarer Abend also, der nur immer wieder von einem von uns durch Sätze wie "...ausgerechnet in dem gleichen Guesthouse..." und "...Welt ist ein Dorf..." unterbrochen wurde.
So, jetzt muss ich aber los - Steffen und Anja wecken. Die fahren am Abend nämlich weiter in den Süden Thailands und so werden wir heute noch für einen Tag zusammen Bangkok erkunden. Mindestens so lange muss meine Sicht der Stadt also noch warten. Nur so viel vornab: In meiner Geschichte geht es zum einen um meine erste Nacht in Bangkoks schäbigstem Guesthouse:
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sowie zum anderen um mein Lieblingsthema - Essen:
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01 November 2006

von Weltreisenden...

Der Garchinger Journalist Patrik Stäbler hat im Sommer sein Studium beendet. Nun erfüllt sich der 26-Jährige einen Traum: In sechs Monaten reist er einmal um die Welt. An dieser Stelle berichtet er alle zwei Wochen von seinen Erlebnissen.


Es gibt Wörter, die rufen hierzulande bei fast jedem Gesprächspartner ein aufgesetztes Lächeln und einen neidischen "das will ich auch"-Blick hervor. Lottogewinn und Karibikurlaub etwa, oder sichere Rente, und letzten Sommer noch: WM-Tickets. Mittlerweile weiß ich: Weltreise ist ebenfalls ein solches Wort. "Da beneide ich dich aber", verkündete beispielsweise die Optikerin Mitte 30, während sie neue Kontaktlinsen in meine Augen drückte und ich wie ein Kleinkind weinte. "Geil Mann. Das mache ich auch, wenn ich so alt bin", ließ sogar mein sonst so schweigsamer, kleiner Bruder verlauten und die Steuerberaterin - trotz Jugendfrisur und Make-up sieht man ihr die 60 Jahre mittlerweile an - berichtete in einem Anflug von Melancholie: "Als ich jung war, wollte ich auch auf Weltreise gehen, aber leider hat das nie geklappt." Nebenbei reichte sie mir meine Steuererklärung und, glauben Sie mir, auch hier war ich wieder den Tränen nahe. Doch das ist eine andere Geschichte.
Thailand, Kambodscha, Vietnam, China, Hongkong, Australien, Neuseeland, Chile, Argentinien, Uruguay - so lautet meine Route, welche die Dame im Reisebüro in gefühlten fünf Sekunden fehlerlos herunterratterte. Sechs Monate sind für die knapp 45.000 Kilometer eingeplant. Pro Tag macht das stolze 250 Kilometer oder besser: Mit durchschnittlich 10,42 km/h umrunde ich den Erdball. Das ist etwa doppelt so schnell wie der Sonntagsspaziergang, wenngleich deutlich langsamer als der berühmteste Weltreisende, Phileas Fogg. Der exzentrische Gentleman bringt es in Jules Vernes In 80 Tagen um die Welt auf gut 22 Stundenkilometer. Trotzdem begegnet er auf der Reise seiner zukünftigen Ehefrau, findet Freunde fürs Leben und gewinnt letztlich viel Geld - all das macht mir Hoffnung. Zugegeben, er wird auch überfallen, zum Duell gefordert, gibt unterwegs ein Vermögen aus und landet im Gefängnis - mithin Erlebnisse also, auf die ich verzichten kann. Entsprechend erhoffe ich mir von meiner Reise eigentlich nur Eines: Viele neue Erfahrungen.


(In: Münchner Merkur, 4.11.2006)