25 November 2006

Spirituelles aus Phnom Penh

Liebe Freunde,
für mein restliches Leben habe ich ausgesorgt. Geld, Macht, Frauen - sowie sekundäre Lebensziele wie Gesundheit oder Liebe - sind mir nicht mehr zu nehmen. Warum? Nun, am besten erklärt das wohl folgende Geschichte.

Es ist Nachmittag in Kambodschas quirliger Hauptstadt Phnom Penh und ich tigere unruhig durch das Gelände des Wat Ounalom. Nicht zum ersten Mal an diesem Tag besuche ich die Tempelanlage am Flussufer. Bereits sechs Stunden zuvor hatten mich die kunstvollen Gebäude, die bunten Chedi-Gräber und die dem Ort angemessene Ruhe zu einem Rundgang bewegt. Zugegeben, er dauerte nur 15 Minuten, doch wenn man wie ich in den letzten 25 Tagen etwa ebenso viele Tempel gesehen hat, dann reicht das auch. Zudem knurrte mein Magen und in Gedanken wog ich bereits das chicken curry gegen fried noodles with beef ab. Wie ignorant und fahrlässig - doch leider wurde mir das erst beim Nachmittagskaffee und der Lektüre meines Reiseführers bewusst. Denn Wat Ounalom ist nicht irgendein Tempel. Hier bewachen Mönche einen Schatz: Ein Haar aus Buddhas Augenbraue! Hätte ich doch nur das Khmer-Wörterbuch studiert - ounalom heißt übersetzt Augenbraue - anstatt mich mit niederen Gelüsten wie dem Mittagssnack zu beschäftigen. Ein Augenbrauenhaar von Buddha! Das ist in etwa so, wie wenn eine europäische Kirche einen Fingernagel von Jesus aufbewahrt hätte. Entsprechend habe ich den Kaffee hinuntergestürzt und bin sofort zum Wat Ounalom zurückgekehrt. Das Problem: Mein Reiseführer verrät nicht, wo das Heiligtum versteckt ist oder ob man es gar sehen darf.
So irre ich nun durch die Tempelanlage, immer auf der Ausschau nach Schreinen aus Panzerglas oder zumindest einem versteckten Wegweiser mit markant-buschiger Braue à la Waigel aufgepinselt. Aber Fehlanzeige - kein Pfeil, kein Kästchen, keine Braue und niemand, der mir weiterhelfen kann. Doch plötzlich regt sich etwas neben mir und eine zuvor im Schatten dösende Gestalt springt auf - sicher schon über 60, in Unterhemd und barfuß, mit zerzausten, weißen Haaren. Zuerst schaut er mich verdutzt an, doch dann beginnt er in Khmer loszubrabbeln. Eilig kommt er auf mich zu, so dass ich zunächst befürchte, dass er ob der Störung seiner Nachmittagsruhe erbost ist. Das wäre eine BILD-Schlagzeile: "Greiser Mönch schlägt Münchner (26) krankenhausreif". Doch der Alte will nichts Böses. Im Gegenteil: Mit einem Schlüssel in der Hand zieht er mich zu der niedrigen Tür eines unscheinbar grauen Beton-Chedis. Nun, ihr ahnt sicher schon, was sich darin verbirgt? Richtig! Ein kleiner Schrein mit Opferschale, schwarzer Buddha-Figur und meinem persönlichen Gral: Der Augenbraue. Ehrfurchtsvoll knie ich mich auf die Betmatte. Weiter vor sich hinredend entzündet der Mönch drei Räucherstäbchen und drückt sie mir mit gewichtiger Miene in die Hand. Während ich sie in die Opferschale stecke, murmelt er das wohl einzige englische Wort, das ihm geläufig ist: "Eyebrow! Eyebrow!"
Doch damit nicht genug. Als ich schon wieder aufstehen will, hält mein neuer Buddha-Mentor mich fest und holt eine kleine Schale mit zweifellos heiliger Flüssigkeit hervor. Buddhas Schweiß? Tränen? Speichel? Nur Vermutungen meinerseits. Während der Mönch minutenlang Segenssprüche in Khmer herunterrattert, verpasst er mir mit einem kleinen Zweig mehrere Ladungen des Zauberwassers. Danach hat der Alte seine Zeremonie beendet. Er nimmt meine Hand und führt mich wieder nach draußen - mit dem gleichen freundlichen Lächeln und ohne einen Cent dafür zu verlangen. Zum Glück erspähe ich in der Ecke gerade noch einen hölzernen Spendenkasten, in den ich eilig einige zerknitterte Scheine stecke. Wer will schon knausern, wenn er gerade vor einer heiligen Reliquie gesessen und von einem weisen Mönch gesegnet worden ist? Denn die religionsübergreifenden Ziele solcher Zeremonien kennen wir doch alle: Geld, Ruhm, Macht, Frauen und von allem nicht zu knapp.
Solltet ihr euch also wundern, warum ich nach der Rückkehr von meiner Weltreise (a) mit Geld um mich werfe, (b) ständig in Fernsehen und Forbes-Listen auftauche und (c) alle zwei Tage Partys mit einflussreichen Politikern und schwedischen Unterwäschemodels feiere, wisst ihr jetzt warum. Und wenn ihr neidisch seid, hier mein Rat: Fliegt nach Phnom Penh, geht ins Wat Ounalom und sucht nach diesem Schrein:
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Schrein mit Buddhas Augenbraue - und meinen drei Räucherstäbchen

Ansonsten war Phnom Penh übrigens eine angenehm zu besuchende, interessante Stadt und ein schöner Abschluss meiner Reise durch das immer aufregende Kambodscha (Eine letzte Fotostrecke von dem Land gibt es hier). Nun geht es nach Vietnam, wo nach einem Abstecher ins Mekong-Delta ein ganz anderes Kaliber von Großstadt wartet: Ho Chi Minh City, das frühere Saigon. Mein Reiseführer bezeichnet die überschäumende 6-Millionen-Metropole als "Frontalangriff auf die Sinne" und hält fest: "Straßenkinder durchstreifen die einschlägigen Viertel, kriegsversehrte Bettler robben mit primitiven Brettern auf Rädern durch die Straßen und Taschendiebe schleichen mit Argusaugen umher." Aber mal ehrlich, was soll einem kürzlich gesegneten, semi-professionellen Pseudo-Buddhisten, der die Braue Siddhartas erblickte, schon passieren?

2 Comments:

At 11:07 AM, Anonymous Anonym said...

Hey Pat,

wie wir alle sehen können, geht es dir ja ausgezeichnet! Nachdem die jetzt auch noch knapp der Heiligsprechung entkommen bist, hoffen wir hier im katholischen München auf deine Rückkehr um uns neben einem "fast"heiligen zu sonnen und vielleicht auch ein bisschen von seinem Ruhm, Geld und natürlich den Frauen abzubekommen.

 
At 12:38 AM, Anonymous Anonym said...

Hi Patrik.

bei der Weltreise kristallisiert sich ein Motto immer mehr heraus.
"Man muss alles mal erlebt haben"
Bin gespannt was noch alles geschehen wird.
Aber solang es sich um Abstellkammern, Smog, Menschenmassen, sonderbare Transportmittel, Augenbrauen, Sonnenbrände und Ziegen handelt ist ja alles noch im grünen Bereich.

Weiterhin gute Reise und lass dich nich anquatschen.

 

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