31 Dezember 2006

Asien - eine fremde Welt

Der Garchinger Journalist Patrik Stäbler hat im Sommer sein Studium beendet. Nun erfüllt sich der 26-Jährige einen Traum: In sechs Monaten reist er einmal um die Welt. An dieser Stelle berichtet er alle zwei Wochen von seinen Erlebnissen.

Nanning, China (ps) - Am Flughafen in Bangkok traf ich ein deutsches Ehepaar. Sie waren sichtlich erfreut ob eines Landsmanns ohne Asienerfahrung und berichteten ausgiebig von ihren Reisen in Vietnam und Thailand. Zum Abschied legte der Mann väterlich die Hand auf meine Schulter und erklärte: "An die Kultur hier musst du dich erst gewöhnen." Ich nickte freundlich, doch ernst genommen habe ich ihn nicht. Schließlich kam ich nicht unvorbereitet nach Südostasien. Wochenlang hatte ich Reiseführer gewälzt, mit Stäbchen gegessen und Vokabeln wie Hund, scharf und Schlange gelernt, um sie auf Speisekarten zu entdecken. Kurzum, ich war gewappnet - dachte ich.
Doch es dauerte keine 24 Stunden bis zum ersten kulturellen Fauxpas. Ein Thailänder wollte mich im Hotelfoyer freundlich per Handschlag begrüßen. Da ich gerade den Zimmerschlüssel suchte, reichte ich ihm gedankenverloren die linke Hand. Erschrocken zuckte er zusammen, deutete eine Verbeugung an und drehte sich wortlos ab. Mittlerweile weiß ich: Die linke Hand hat ihn so erbost. Sie gilt hier als unrein, da sie in Kombination mit Wasser als Ersatz für das selten vorhandene Klopapier dient. Seitdem grüße ich mit rechts - und habe immer eine Rolle Klopapier im Rucksack.
Gewöhnungsbedürftig war auch die asiatische Eigenart des Spuckens. Vietnamesen und Chinesen liefern sich hier wahre Wettbewerbe. Der Vorgang besteht dabei aus drei Schritten. Zuerst wird das nötige Material aus der Nase in den Rachen gesaugt. Das Geräusch erinnert an das Schnarchen eines drei Zentner schweren Asthmatikers. In Schritt zwei wird das Gemisch in den Mund befördert. Trainierte Asiaten erreichen hier die Dezibelwerte eines Düsenjets. Ist genug Masse gesammelt, erfolgt das Ausspucken - je nach Situation auf den Boden, in Aschenbecher oder ans Busfenster. Über Gesundheitsrisiken des Dauerspuckens will ich nicht spekulieren - schließlich leben in China die meisten Hundertjährigen - doch mancher Spaziergang wurde so zur unfreiwilligen Schlitterpartie.
Aber so ist das eben mit fremden Kulturen und schließlich geht es vielen Asiaten mit uns Touristen nicht anders. Gerne erinnere ich mich etwa an eine Gruppe Jugendlicher aus Cat Ba, einer Insel vor Vietnams Küste. Ihr Englisch traf mein Vietnamesisch auf Augenhöhe, so dass wir nach kurzer Zeit still zusammen saßen und uns angrinsten. Plötzlich spürte ich eine Hand an meinem Arm: Es war ein Vietnamese, der voll Staunen an meinen blonden Armhaaren zupfte. Der ungewohnte Anblick schien ihn wahrhaft zu begeistern, denn wissen Sie wo er mich streichelte? An der linken, unreinen Hand.

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Auf in eine neue Welt: An der Grenze nach China

In: Münchner Merkur (30./31. Dezember)

P.S. An Alle: Frohes Neues Jahr!

26 Dezember 2006

Weihnachten - Nachtrag

Ganz am Ende kam tatsächlich Weihnachtsstimmung auf - auch wenn es einige Zeit und mehrere Gläser Bier brauchte. Meinen Heilig Abend startete ich in Hanois katholischer Kirche, wo ich zusammen mit dem Koreaner Yoon, sowie den Münchnerinnen Doreen und Pia (die beiden habe ich in Zentralvietnam kennengelernt und in Hanoi zufällig wiedergetroffen) der vietnamesischer Christmette beiwohnte. Inmitten von glitzernden Tannenbäumen und Kleinkindern im Santa Claus-Kostüm ging es danach zum leckeren Weihnachtsessen, obwohl die Kombination aus Maissuppe, Hühnchen-Curry und Fruchtsalat natürlich nicht mit Mamas heimischem Fondue mithalten konnte. Den Abend beendeten wir schließlich auf den Plastikstühlen eines Straßenkiosks bei einigen Bia Hoi - der vietnamesischen Version von frisch gezapftem Bier (ein Glas kostet 2.000 Dong, rund 10 Cent). Wie jedes Jahr wachte ich am ersten Weihnachtsfeiertag viel zu spät und verkatert auf - diesmal jedoch nicht dank Dotzauers Feuerzangenbowle, sondern durch rauhe Mengen billiges Bier.
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Weihnachtsbier in Hanoi - mit Yoon, Pia, einem Vietnamesen, dessen Namen ich vergessen habe, und Doreen (v.l.)

Ansonsten habe ich es inzwischen nach 36 anstregenden Stunden nach Macao, China geschafft. Die kleine Insel liegt 65 Kilometer westlich von Hongkong und gehörte bis 1999 zu Portugal. Getreu meinem Vorsatz, das Gejammere ob der Reisestrapazen einzustellen, hier nur ganz kurz die wichtigsten Etappen meiner Odyssee von Hanoi nach Macao:
6.00 Aufstehen, packen, frühstücken
7.00 Wie abgemacht warte ich vor dem Hotel auf einen Fahrer des Reisebüros, der mich zum Bahnhof bringen soll. Dort startet um 7.30 ein Bus in Richtung Nanning, China
7.15 Ich werde langsam nervös
7.30 Wutentbrannt stapfe ich zum Reisebüro - es ist geschlossen
8.00 Eine kleine Vietnamesin sperrt auf und reagiert auf meinen Wutanfall mit Demut: "Sorry, sorry, sir..." Es stellt sich heraus: Um 11.30 fährt ein zweiter Bus
11.30 Nachdem ich drei Stunden im Reisebüro totgeschlagen habe, sitze ich nun endlich im Bus nach China. Die Dame im Reisebüro hat versprochen: Um 18 Uhr bin ich in Nanning
18.00 Wir sind da - doch nicht etwa in Nanning, sondern erst an der chinesischen Grenze. Dort begrüßt mich ein alter Chinese: "I love you". Offenbar die einzigen englischen Worte, die er kennt
20.30 Ankunft in Nanning, einer dieser chinesischen Millionenstädte, die niemand kennt
20.45 Panik! Ich hielt es nur für ein Gerücht, doch hier spricht wirklich kein Mensch englisch. Wie soll ich jemals meinen Bus oder ein Hotel finden?
20.50 Eine Frau kommt auf mich zu. "Hello. Can I help you?". Es stellt sich heraus: In füf Minuten fährt ein Nachtbus nach Guangzhou. Ich entscheide spontan, mal wieder eine Nacht im Bus zu verbringen
20.55 Überraschung! Der Bus hat keine Sitze sondern drei Reihen von Etagenbetten. Werde ich diesmal endlich ein bisschen Schlaf bekommen?
23.45 Erste Pause. Ich habe kein Auge zugemacht. Die Betten sind auf Asiaten zugeschnitten und gefühlte 150 x 30 Zentimeter groß
6.30 Gerade bin ich eingenickt, da sind wir auch schon in Guangzhou. Mit Augenringen und nachgebenden Knien steige ich aus dem Bus
6.45 Mit einem wissenden Lächeln klappere ich die Schalter nach einer Person ab, die englisch spricht. Es erinnert mich an früher, als wir im Supermarkt Dutzende von Überraschungseiern geschüttelt haben, um zu hören, ob sie eine Figur enthalten
7.00 Im siebten Ei... äh am x-ten Schalter spricht jemand englisch. Sie erklärt: Vor dem China Hotel fahren Busse nach Hongkong
9.00 Mit einem Linienbus habe ich es tatsächlich bis zum China Hotel geschafft. Ich kaufe ein Ticket und sitze im nächsten Bus. Ziel: Hongkong Downtown
12.00 Problemlos passiere ich die Grenze. Hinter mir liegen 16 Stunden China - aus dem Busfenster
14.00 Der Bus stoppt in Hongkong Downtown und ich erblicke ein Schild "Macao Ferry Pier". Eine Idee kommt auf: Warum nicht gleich nach Macao reisen und danach Hongkong besichtigen?
16.00 Nach einer einstündigen Fahrt im supermodernen Tragflügelboot bin ich tatsächlich auf Macao. Die Bilanz der letzten 24 Stunden in meinem Reisepass: 3 Ausreise- (Vietnam, China, Hongkong) und 3 Einreisestempel (China, Hongkong, Macao)

Über das wundeschöne Macao (soweit ich das nach einem Abend, den ich mit halboffenen Augen erlebt habe, beurteilen kann) und das aufregende Hongkong werde ich in den nächsten Tagen sicher viel zu berichten haben. Doch im Moment will ich nur eines: Schlafen - und zwar in einem Bett, dass sich nicht bewegt...

25 Dezember 2006

Weihnachten in Hanoi

Hanoi, Vietnam (ps) - Mit Weihnachten ist es jedes Jahr das Gleiche. Mich erinnert es an einen Schneeball, der mit der Zeit immer größer und schließlich zu einer gewaltigen Lawine wird. Niemand kann sich ihr entziehen. Die Vorboten - sozusagen erste Schneeflocken - sind die ab Oktober in den Supermarktregalen stehenden Schoko-Nikoläuse. Während es im November abgesehen von den Plätzchen der übereifrigen Oma weitgehend ruhig ist, kommt die Lawine zur Adventszeit richtig in Fahrt. Christkindlmärkte schießen aus dem Boden, der Geruch von Lebkuchen hängt in der Luft und die Kaufhäuser spielen die ewig gleichen Weihnachtslieder. Höhepunkt ist Heilig Abend, wenn Horden von verzweifelten Gesichtern durch die Innenstadt jagen, um mit einem Last Minute-Geschenk doch noch Fest, Familiensegen oder Ehe zu retten.
Viele Menschen hassen all das. Ginge es nach ihnen, würde man den Dezember aus dem Kalender streichen. Mir ist das ein Rätsel. Ich liebe Weihnachten. Schon im November habe ich alle Geschenke beisammen. Zur Adventszeit summe ich Weihnachtslieder in der U-Bahn und ernte dafür böse Blicke der anderen Fahrgäste. Ab Nikolaus vertilge ich Unmengen Plätzchen, Stollen und Glühwein, was zur Folge hat, dass ich jedes Silvester meine schwarze Jogginghose aus dem Schrank krame. Nur ihr elastischer Gummizug erlaubt es mir, auch in dieser Zeit bedenkenlos auszuatmen.
Doch dieses Jahr war alles anders. Weihnachten war ich in Vietnam - einer Oase für Feiertagsmuffel. Sicher, auch hier kennen sie den dicken, bärtigen Mann mit dem Sack voll Geschenke. Doch im Gegensatz zu Zuhause ist das Fest keine Lawine, sondern geschieht eher nebenbei. Geschenke sind die Ausnahme, Christbäume sieht man nur in Hotelfoyers und für Schokolade oder Glühwein ist es ohnehin zu heiß. "Ja, wir feiern Weihnachten", erklärte mir der Kellner in einem der wenigen dekorierten Cafés. Doch auf die Frage nach dem Wann wurde er unsicher: "Im Dezember... und im Januar, glaube ich."
Während im heimischen Garching wie jedes Jahr der Christbaum geschmückt wurde, schlenderte ich über Hanois berühmten Markt. Es roch nicht nach Zimt und Schokolade, sondern wie in einer Nordsee-Filiale. Statt mit Geschenkpapier musste ich mich mit zahnlosen Vietnamesen abmühen, die mir Zigaretten, Drogen und Frauen verkaufen wollten. Und trotz T-Shirt und Flip-Flops stand mir bei sonnigen 29 Grad der Schweiß auf der Stirn. Sie merken: Ein wenig habe ich Weihnachten schon vermisst. Doch wenigstens etwas Gutes hat meine Abstinenz: Zum ersten Mal seit langem werde ich das neue Jahr nicht in einer schwarzen Jogginghose begrüßen.

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Weihnachtsmann, Palmen und ich - alle in Hue, Vietnam

In: Münchner Merkur, 27. Dezember 2006

23 Dezember 2006

Abstecher in der Halong-Bucht

Beim Schmökern in meinen bisherigen Einträgen habe ich mit Erschrecken festgestellt: Anstatt über faszinierende Orte und interessante Bekanntschaften zu berichten, beschäftigen sich vieler meiner Geschichten hauptsächlich mit den Reisestrapazen, denen man als Rucksacktourist in Südostasien ausgesetzt ist. Aus diesem Grund diesmal nur ganz kurz einige Fragen, die mir während der 13-stündigen Fahrt im Nachtbus von Hue nach Hanoi durch den Kopf schossen:
- Woher hatte ich die irrige Annahme, ein Nachtbus hätte etwas mit Schlafen zu tun, wo man doch praktisch auf dem Schoß des Nachbarn sitzt?
- Warum sitze ich nie neben der bildhübschen Schwedin, die mit ihrem Surfbrett die Strände Vietnams abklappert, sondern immer neben schnarchenden, sabbernden und stinkenden Männern?
- Wieso verfügen interessante Bus-Bekanntschaften immer über die seltene Gabe, bereits zehn Minuten nach Abfahrt seelenruhig zu schlummern, während ich bereits 25 Fußballer zu jedem Buchstaben im ABC gefunden habe und trotzdem noch hellwach bin?
- Warum läuft in einem Nachtbus in Nordvietnam - einer der wenigen Orte des Landes, wo man keine Klimaanlage braucht - eben jene auf Hochtouren, so dass sich an den Fenstern bereits Eisblumen bilden?
- Wieso bin ich immer noch so naiv anzunehmen, dass irgendein Transportmittel in Südostasien sein Ziel zum angepeilten Zeitpunkt erreicht?

Die obligatorische Verspätung war in diesem Fall folgenschwer, da ich dadurch den Zug nach Sa Pa um genau eine halbe Stunde verpasste. Mit dunklen Augenringen, durchgefroren von den überraschend frostigen Morgentemperaturen und genervt von einem linken Moped-Fahrer verspürte ich geringe Lust, den Tag in Hanoi zu verbringen und auf den Nachtzug zu warten. Kurzerhand änderte ich daher meine Reisepläne. Statt Sa Pa und Westen ging es gen Osten ans Meer, um dort die von tausenden Kalksteinfelsen durchzogene Halong-Bucht aus der Nähe zu sehen. Nach einer Zug-, einer Boots- und zwei Busfahrten erreichte ich schließlich am Nachmittag die idyllisch im Golf von Tonkin gelegene Insel Cat Ba.
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Kalkstein-Inseln in der Halong-Bucht

Nun weiß ich nicht, was es mit mir und vietnamesischen Inseln auf sich hat, doch wie schon Phu Quoc, gefiel mir auch Cat Ba außerordentlich gut. Die einzig nennenswerte Siedlung des Eilands - kreativerweise Cat Ba Stadt genannt - war früher ein kleines Fischerdorf und ist inzwischen vom Tourismus vereinnahmt. Da sich der Ansturm der Vietnamesen und Chinesen jedoch auf die Sommermonate beschränkt, waren nicht nur Restaurants, Strände und der Nationalpark im Innern der Insel angenehm menschenleer, sondern mein geräumiges Hotelzimmer mit Meerblick für $5 auch äußerst preiswert. Zudem traf ich bei einer Trekkingtour durch den Park (atemberaubende Natur, handtellergroße Spinnen, giftgrüne Schlangen - FOTO) mit anschließender Bootsfahrt durch die Halong-Bucht auf eine sehr nette Gruppe aus zwei Schweizern, einem kanadischen Pärchen und einem Australier. Zusammen ließen wir den anstrengenden Ausflug bei einem vorzüglichen Essen und ungezählten Bieren bis tief in die Nacht ausklingen. Entsprechend trat ich die Rückreise aufs Festland am nächsten Morgen nicht nur mit müden Beinen, sondern auch mit dickem Kopf an - und mit der Erinnerung an drei wunderbare Tage auf Cat Ba.
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Blick aus meinem Hotelzimmer auf den Hafen von Cat Ba

Nach zwei Nächten in Halong City - einer Stadt, die mir gezeigt hat, dass es auch in Vietnam Orte mit dem Charme einer ostdeutschen Plattenbausiedlung der 70er Jahre gibt - geht es heute weiter nach Hanoi. In der Hauptstadt werde ich meine letzten Tage in Vietnam samt Weihnachten verbringen, ehe am 26. Dezember das Visum ausläuft. Als Abschluss der Asienreise steht danach ein besonderes Reiseschmankerl auf meinem Programm. In sechs Tagen muss ich von Hanoi, durch China, nach Hongkong kommen, um dort am 2. Januar den Flieger nach Australien zu erwischen. Und obwohl ich noch keine Ahnung habe, wie ich das anstellen soll, ahnt ihr wohl schon, was euch erwartet: Richtig - eine weitere Geschichte über die Strapazen des Reisens...

17 Dezember 2006

Hoi An im feinen Zwirn

Abgesehen von der an uns vorbeiziehenden, atemberaubenden Gebirgslandschaft und einem kotzenden Mädchen in der Reihe vor mir war die Busfahrt nach Hoi An weitgehend unspektakulär. Erwähnenswert wäre vielleicht noch die alte Vietnamesin, die bei einer unserer Pausen ausstieg, in aller Seelenruhe ihr linkes Hosenbein hochkrempelte und sich vor allen Leuten mitten auf den Parkplatz erleichterte. Doch auf diese Episode will ich nun wirklich nicht genauer eingehen.
Viel lieber berichte ich über das malerische Hafenstädtchen Hoi An, dessen historischen Kern die UNESCO 1999 zum Weltkulturerbe erklärte. Die engen Gassen mit den teilweise bis ins 16. Jahrhundert zurückreichenden Kaufmannshäusern, Versammlungshallen und Familienschreinen weisen eine Mischung aus chinesischen, japanischen und vietnamesischen Einflüssen auf und verleihen der Innenstadt einen liebenswerten Charme. Entsprechend ist Hoi An heute ein fest etabliertes Touristenziel, was wiederum zur Folge hat, dass sich in den alten Gebäuden Souvenirgeschäfte, Kunstgalerien und vor allem Boutiquen breit gemacht haben. Ganze Straßen sind fest in der Hand der Schneider, die den naiven Touristen maßgefertigte Kleider, Anzüge und Hemden andrehen. "Wer fällt auf so etwas rein?", dachte ich kurz nach meiner Ankunft in Hoi An. Und - ihr ahnt es schon - keine 48 Stunden später stand ich mit drei prall gefüllten Plastiktüten in der Postfiliale, um meine gesammelten Einkäufe in Richtung Deutschland zu verschiffen.
Wie konnte es dazu kommen? Nun, zum einen ist eine Visite in Hoi An ohne Anzugkauf in etwa so wahrscheinlich wie ein Istanbul-Besucher, der ohne Teppich und Fez im Gepäck zurückkehrt. Zum anderen hat es die liebenswerte Familie der Boutique Diem Diem wirklich geschickt angestellt. Die schönen Töchter lockten mich in das Geschäft, wo der äußerst freundliche, wenngleich leicht senile Vater ein eisgekühltes Bier nach dem nächsten servierte und mich nach einer Viertelstunde zu seinem Sohn erklärte ("You my family, you son, you good"). Als wäre das noch nicht genug Manipulation, setzte mir die herzliche Mutter einen Teller mit vorzüglichem vietnamesischen Essen vor und bekräftigte die Adoption ("I you vietnam mama"). Satt und leicht angeheitert verließ ich das Diem Diem nach gut zwei Stunden - mit einer Kreditkartenrechnung von 125 Euro in der Tasche. Im Gegenzug bin ich nun stolzer Besitzer von 2 Anzügen, 4 Hemden und 2 Hosen - alles maßgeschneidert und (angeblich) beste Qualität. Zudem ließ es sich meine Ersatzfamilie nicht nehmen, mich bei den Anproben am nächsten Tag erneut fürstlich zu bewirten und mir obendrein noch 3 Krawatten, 2 Boxershorts und 4 Geldtaschen ("for you, your mum, your girl-friend and you sister") als Souvenirs einzupacken. Bleibt eigentlich nurmehr ein Problem: Wo finde ich jetzt den Job, in dem ich all die Hemden und Anzüge anziehen kann?
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Ich im Anzug mit meiner "Mama Vietnam"

Nach drei Nächten in Hoi An ging es weiter in Richtung Norden nach Hué. Die frühere Haupt- und Kaiserstadt ist so etwas wie das Weimar Vietnams - das kulturelle wie geistige Zentrum des Landes. Entsprechend schnallte ich hier die Kamera um und begab mich auf Sightseeingtour. Der gestrige Tag brachte mich und mein Leihfahrrad dabei zu den imposanten Überresten der kaiserlichen Zitadelle und den Palästen der Verbotenen Purpurstadt, die inmitten von Hués berühmten Gartenanlagen liegen. Weiter ging es heute mit einer Bootsfahrt auf dem ebenso schön klingenden, wie euphemistisch bezeichneten Parfümfluss. Die ganztägige Tour beinhaltete die Besichtigung von zwei prächtigen Pagoden und drei der majestätischen Kaisergräber. Letztere erstrecken sich entlang des Parfümflusstals und liegen wunderschön umgeben von Tempeln, Pavillons und üppigen Gärten. Zwischen derart geballter Kultur - und nun folgt sicher kein unbedeutender Grund, warum mir Hué außerordentlich gut gefällt - habe ich in den Restaurants der Stadt das bisher beste Essen in Vietnam genossen. Gedämpfte Frühlingsrollen, Klebreis, frittierte Crepes, Bananenkuchen, Fruchtsalat und ein 6-Gänge-Menü bestehend aus lokalen Spezialitäten für 40.000 Dong (kein Spaß, Vietnams Währung heißt wirklich Dong und 20.000 entsprechen etwa einem Euro) - kulinarisch gesehen war der Aufenthalt ein absolutes Highlight.
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"Pavillon der Ewigen Klarheit" in Hués kaiserlichen Zitadelle

Nach Shopping, Kultur und Schlemmen fühle ich mich nunmehr bereit, den wohl anstrengendsten Teil meiner Vietnam-Tour anzugehen. Noch heute Abend um 17 Uhr startet der Bus in das 650 Kilometer entfernte Hanoi, wo wir gegen 6 Uhr des nächsten Morgens erwartet werden. Geht alles nach Plan, dann erwische ich dort einen Zug nach Lao Cai - noch einmal 350 Kilometer bzw. 9 Stunden Fahrt - ehe mich ein letzter Bus (1 1/2 Stunden) nach Sa Pa in den äußersten Nordwesten des Landes bringt. Über den kleinen Ort an der chinesischen Grenze habe ich nun schon mehrere Reisende begeistert berichten hören, so dass ich mich entgegen meinen ursprünglichen Plänen entschlossen habe, einen Umweg von 700 Kilometern auf mich zu nehmen, bevor als letzte Station in Vietnam die Hauptstadt Hanoi ansteht.

Seit ich Saigon verlassen habe, ist es mir in keinem Internet-Cafe gelungen, meinen Blog aufzurufen, obwohl ich weiterhin Texte und Bilder posten kann. Da jedoch bisher keine angsterfüllten Mails von Mama gekommen sind und auch andere Blogs bei blogger.com mit einer Fehlermeldung ladfen, vermute ich, dass die auf Stromlinienförmigkeit bedachte Zensurabteilung der vietnamesischen Regierung dafür veranwortlich ist. Nun gut, muss ich halt bis China warten - oder vielleicht doch besser Hongkong.

15 Dezember 2006

Von wahren Backpackern

Der Garchinger Journalist Patrik Stäbler hat im Sommer sein Studium beendet. Nun erfüllt sich der 26-Jährige einen Traum: In sechs Monaten reist er einmal um die Welt. An dieser Stelle berichtet er alle zwei Wochen von seinen Erlebnissen.

Hoi An, Vietnam (ps) - Seit sechs Wochen reise ich durch Südostasien. Drei Dinge habe ich dabei gelernt. Erstens: Es braucht keine Bergetappe bei der Tour der France, um sieben Liter am Tag zu schwitzen. Zweitens, die wichtigsten Worte, die ein Asien-Tourist in jeder Landessprache beherrschen sollte: "Nein danke, ich kaufe nichts." Und drittens: Ich werde langsam alt. Ich weiß, diese Erkenntnis wird der Generation meiner Eltern nur ein nachsichtiges Lächeln entlocken. Doch inmitten der Rucksacktouristen fühle ich mich oft wie eine verzweifelte Mutter, die mit ihrer Tochter nächtelang durch Diskos zieht - also eindeutig fehl am Platz.
Das fängt schon beim Aussehen an. Während ich mich durch bunte Souvenir-Shirts auf den ersten Blick als Tourist oute, halten sich richtige Backpacker an eine feste Kleiderordnung. Am wichtigsten dabei: Extraweite Camouflage-Shorts, die knapp über den Kniekehlen hängen. Dazu gehört ein Unterhemd, das aussieht, als hätte man gerade drei Monate im Dschungel gelebt. Minimum eine Tätowierung pro Extremität, Rasta-Zöpfe und ein Bart à la Che Guevara sind genauso Pflicht wie der iPod-Knopf im Ohr - man könnte ja sonst in ein Gespräch verwickelt werden.
Generell lehnt der wahre Backpacker alles Touristische ab. Ein gelungener Urlaubstag besteht für ihn aus stundenlangem Biertrinken auf Hotelsofas und einer politisch-philosophischen Diskussion bis tief in die Nacht. Ich habe das einmal versucht. Doch anstatt über Kommunismus, Weltfrieden oder wenigstens das billigste Bier der Stadt zu debattieren, musste ich am frühen Nachmittag schwankend mein Zimmer aufsuchen. Und während die Wände immer engere Kreise um mein Bett zogen, erinnerte ich an mich an die Worte meines Vaters, als er uns drei Brüdern erklärte, warum der familieninterne Fußballsonntag künftig ohne ihn stattfindet: "Manche Dinge gehen einfach nicht mehr so gut, wenn man ein bestimmtes Alter erreicht."
Ich jedoch habe noch Hoffnung auf ein Leben als wahrer Backpacker. Womöglich fehlt es mir nur an Reiseerfahrung. Wer weiß, vielleicht sitze ich schon nach zwei weiteren Monaten tagelang in Hotellounges, trinke Bier um Bier und ergründe mit Meinesgleichen den Sinn des Lebens, während ein glatzköpfiger Tätowierer asiatische Schriftzeichen in meinen Unterschenkel ritzt. Denn wie erklärte mir schon Don, ein 58-jähriger Alt-Hippie aus Kanada, an einem meiner ersten Abende in Asien: "Eines weiß ich sicher: Reisen hält jung."

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Tourist auf dem ersten Blick: vor den Tempeln von Angkor Wat

In: Münchner Merkur, 16./17. Dezember

10 Dezember 2006

Schön und schauerlich - von Phu Quoc nach Kon Tum

Phu Quoc, Saigon, Da Lat, Kon Tum - nach knapp zwei Wochen in Vietnam habe ich die verschiedensten Facetten des Landes kennen gelernt und von dem Gesehenen bin ich begeistert. Nachdem mich die Traumstrände und das entspannte Flair von Phu Quoc länger als geplant auf der Insel gehalten hatten, ging es aus Zeitgründen mit dem Flieger in die Millionen-Metropole Saigon. Als Abwechslung zum entspannten Strandleben - und um mein Gewissen nach dem Faulenzen zu beruhigen - habe ich dort das volle Kulturprogramm aus Palästen, Tempeln, Märkten, Kunst-, National- und Kriegsmuseum durchgezogen. Zudem ging es auf eine Tagestour nach Cu Chi, wo man das Tunnelsystem der Vietcong-Guerillas aus der Zeit des Vietnamkriegs besichtigen kann. Versucht einmal, euch in einer Sauna durch eine am Boden liegende, leere Familienpackung Kelloggs zu zwängen - dann bekommt ihr einen Eindruck, wie sich das Kriechen in den Tunneln anfühlt.
Nach Trubel, Hitze und Lärm in Saigon war das idyllische Da Lat im Zentralgebirge Vietnams nicht nur temperaturmäßig eine äußerst angenehme Abwechslung - wohl auch deshalb, weil ich hier auf eine sehr nette Gruppe von RABs (Reiseabschnittsbegleiter) aus England, Deutschland und Norwegen gestoßen bin. Auf 1.500 Metern Höhe gelegen ist Da Lat das Flitterwochen-Paradies Vietnams, was sicher auch an der Tatsache liegt, dass die Stadtväter die Vorliebe asiatischer Touristen für Kitsch in vollen Zügen bedienen. So können sich verliebte Paare hier in künstlichen Blumengärten, Naturparks mit Wasserfällen und im "Tal der Liebe" (Valley of Love) ewige Treue schwören. Neben den aus Lautsprechern dröhnenden Liebesballaden und Skulpturen von eng umschlungenen Pärchen sorgen Tretboote in Schwanenform und Ponyreiten mit verkleideten Cowboys für die nötige Romantik - oder in meinem Fall für einen pausenlosen Kampf mit Lachanfällen.
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Auf Ho Chi Minhs Spuren in den Tunneln von Cu Chi

Doch so schön Phu Quoc, Saigon und Da Lat auch waren - das Reisen zwischen den Orten war wieder einmal der Horror. Auf zwei denkwürdige Busfahrten würde ich dabei gerne näher eingehen. Erstere brachte mich von Saigon nach Da Lat und obwohl die Strecke keine 300 Kilometer misst, brauchten wir dafür geschlagene neun Stunden. Während auf der linke Seite die Schulkinder mit ihren Fahrrädern an uns vorbeirauschten, hätte ich den Busfahrer gerne gefragt, warum er sich als einziger Vietnamese an das unsinnige Tempolimit von 40 km/h hält. Doch leider fehlten mir dazu vietnamesische Vokabeln wie Schnecke, Gaspedal oder Ewigkeit. Da wir zudem alle 50 Kilometer eine Pause einlegten, erreichten wir Da Lat um 6 Uhr abends und mit vier Stunden Verspätung. Ich hatte fest damit gerechnet, dass bei unserer Einkunft schon die Offiziellen des Guinness Buchs warten, denn zweifelsfrei hätten wir den Rekord für die langsamste Busfahrt aller Zeiten verdient gehabt. Doch wahrscheinlich war ihnen das Warten zu dumm geworden.
Der zweite denkwürdige Trip brachte mich von Da Lat nach Kon Tum. Um es kurz zu machen: Es war die schlimmste Busfahrt meines Lebens. "Die Schlimmste?" wird der ein oder andere Leser nun erstaunt fragen, weil er sich dunkel an eine Geschichte mit einem uralten Bus in Kambdscha erinnert. Doch auch wenn ich es niemals für möglich gehalten hätte: Busfahrten können tatsächlich noch quälender sein. Schon beim Einsteigen in Da Lat lief es mir kalt den Rücken hinunter - nicht aus Angst, sondern weil im Innern des Busses dank der ultramodernen Klimaanlage arktische Temperaturen herrschten. Bei gefühlten vier Grad saß ich in T-Shirt und Flip-Flops zitternd auf meinem Sitz und beobachtete meinen Atem, der dick wie Zigarettenrauch an die Decke stieg. Als wäre das noch nicht genug, ließ es sich der Fahrer nicht nehmen, seine CD-Sammlung aus vietnamesischen Pop-Balladen in ohrenbetäubender Lautstärke laufen zu lassen. Seinem Fahrstil zu urteilen war er geistesgestört, volltrunken oder früherer Rennfahrer - wahrscheinlich jedoch alles drei. Auf beiden Fahrbahnen jagte er in Mario Kart-Manier durch die Serpentinenstraßen und machte sich nebenbei ein Spiel daraus, den entgegenkommenden Moped-Fahrern erst in letzter Sekunde auszuweichen als wären sie rote Panzer. Wenigstens hatte ich eine ganze Reihe für mich selbst - zehn Minuten lang. Danach stiegen so lange Personen zu, bis wir stolze 24 Personen samt Gepäck in den kleinen Ford Transit gezwängt hatten - plus einem lautstarken, aber mir unbekannten Tier, das mein Sitznachbar in einer Plastiktüte unter dem Sitz verstaute. In meinen Augen hätte auch dieses Kunststück einen Eintrag ins Guinness Buch verdient gehabt, doch erneut konnte ich die Jungs aus England nirgendwo entdecken. Als der Fahrer den Bus schließlich nach acht Stunden per Vollbremsung in Kon Tum zum Stehen brachte, fiel ich vornüber aus dem Bus mit Frostbeulen im Gesicht, drei abgestorbenen Zehen, einem geplatzten Trommelfell und zersplitterten Kniescheiben.
Nein, das stimmt natürlich nicht. Doch nach dieser Busfahrt fühlte ich mich, als hätte ich eine Gruppe Australier in einem Techno-Club zum Wettrinken herausgefordert. Klingt verlockend? Dann setzt euch an einem kalten Wintertag bei offenem Dach zu fünft auf die Rückbank eines Nissan Micra und dreht den MP3-Player auf volle Lautstärke - acht Stunden lang.
Doch wie dem auch sei, mittlerweile bin ich also in dem ruhigen Provinznest Kon Tum angelangt. Mein Programm hier: Relaxen, Stadtspaziergänge, Essen, Lesen, Schlafen und einfach einmal ein paar Tage die Seele baumeln lassen. Schließlich geht es danach wieder an die Küste, zu den Touristenzentren Hue und Hoi An. Wie ich dorthin komme? Richtig - mit dem Bus.

Einige Eindrücke von meinen ersten beiden Wochen in Vietnam gibt es Hier in Form von einigen Bildern.

03 Dezember 2006

Bacardi-Feeling in Phu Quoc

Unverständlicherweise erwähnt mein Reiseführer Phu Quoc mit keiner einzigen Silbe, doch Vietnams populäre Ferieninsel war auf jeden Fall den Ausflug wert - allein schon erkennbar dadurch, dass ich es entgegen früherer Pläne noch immer nicht nach Ho Chi Minh City (Saigon) geschafft habe. Ich könnte ich nun von feinstem, weißen Sand, Stränden direkt aus der Bacardi-Werbung und Schnorchelausflügen auf klapprigen Fischerbooten berichten. Oder von meinem traumhaften Bungalow mit täglich frisch gemachtem Ehebett, bis oben hin gefülltem Kühlschrank sowie einer kleinen Terrasse samt Sitzecke und Hängematte. Doch da solche Geschichten meist neidische Mails zur Folge haben, gibt es stattdessen wieder einmal etwas aus der Merkur-Kolumne. Meine dritte Geschichte beschäftigt sich dabei mit den eher unschönen Aspekten des Reisens.
Ansonsten habe ich für morgen einen Flug nach Saigon gebucht - mal schauen ob es diesmal endlich mit dem geplanten Trip in die geschäftige Metropole klappt. Ach ja, folgende zwei Bilder konnte ich mir bei dem Gedanken an München, Frost und Weihnachtsstress einfach nicht verkneifen...

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Sonnenuntergang am kilometerlangen Strand von Phu Quoc

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Traumstrand einer kleinen Insel vor Phu Quoc


Der Garchinger Journalist Patrik Stäbler hat im Sommer sein Studium beendet. Nun erfüllt sich der 26-Jährige einen Traum: In sechs Monaten reist er einmal um die Welt. An dieser Stelle berichtet er alle zwei Wochen von seinen Erlebnissen.

Battambang, Kambodscha (ps) - Miguel de Cervantes hat im 16. Jahrhundert einmal gesagt: "Der Weg ist immer besser als die schönste Herberge". Damit ist eines klar: Spaniens vielgereister Nationaldichter war nie in Kambodscha. Denn hier ist Reisen noch ein wahres Abenteuer, das mit Fahrten auf deutschen Straßen oder dem Ausflug mit der Bahn in etwa so viel gemein hat, wie England und gutes Essen - nämlich gar nichts.
Meine erste Erfahrung in der Hinsicht musste ich bereits kurz nach der thailändischen Grenze machen. Bis dorthin waren wir in geräumigen Minibussen gefahren, doch kaum hatte unsere Gruppe kambodschanischen Boden betreten, hieß es umsteigen. Das neue Gefährt: Ein alter, mit Rost überzogener Bus vom Typ "DDR 60er Jahre", der sich auch in Deutschland gut machen würde - allerdings nur im Automobil-Museum. Während der Fahrer mehrere Versuche unternahm, 20 Personen samt Gepäck in dem abgehalfterten Sammlerstück zu verstauen, hätte ich jede Wette gehalten, dass der Bus niemals anspringt - was es denn auch nicht tat. Also mussten wir Reisende aussteigen und schieben, ehe der Motor stotternd und mit einem lauten Zischen losknatterte. Dabei habe ich eines gelernt: Beim Anschieben sollte man den Platz hinter dem Auspuff besser meiden.
Ein anderes prägendes Erlebnis war meine erste Fahrt mit dem in Südostasien allgegenwärtigen Tuktuk-Taxi. Diese dreirädrigen Klapperkisten hält meist nur mehr die dicke Farbschicht zusammen, was den Fahrer jedoch nicht hindert, in bester Schumacher-Manier durch den Großstadtverkehr zu jagen. Jede kleinste Lücke wird rücksichtslos genutzt, wobei rote Ampeln genauso wenig ein Grund zu bremsen sind, wie die zahllosen Mofa- und Radfahrer - ganz zu schweigen von bemitleidenswerten Fußgängern. Glücklicherweise habe ich von den waghalsigen Manövern nur wenig mitbekommen: Umnebelt von einer giftig-schwarzen Abgaswolke hatte ich mein Gesicht im T-Shirt vergraben, um so den sicheren Erstickungstod ein wenig hinauszuzögern. Sie können sich meine Erleichterung nicht vorstellen, als das Tuktuk nach einer kleinen Ewigkeit stoppte und der Fahrer sich unschuldig grinsend umdrehte. Aus Dankbarkeit habe ich ihm das Doppelte des Preises in die Hand gedrückt, woraufhin er mich sogleich zum nächsten Ziel chauffieren wollte. Mit noch zitternden Knien habe ich abgelehnt. Manchmal geht man einfach besser zu Fuß.

In: Münchner Merkur, 2./3. Dezember