15 Dezember 2006

Von wahren Backpackern

Der Garchinger Journalist Patrik Stäbler hat im Sommer sein Studium beendet. Nun erfüllt sich der 26-Jährige einen Traum: In sechs Monaten reist er einmal um die Welt. An dieser Stelle berichtet er alle zwei Wochen von seinen Erlebnissen.

Hoi An, Vietnam (ps) - Seit sechs Wochen reise ich durch Südostasien. Drei Dinge habe ich dabei gelernt. Erstens: Es braucht keine Bergetappe bei der Tour der France, um sieben Liter am Tag zu schwitzen. Zweitens, die wichtigsten Worte, die ein Asien-Tourist in jeder Landessprache beherrschen sollte: "Nein danke, ich kaufe nichts." Und drittens: Ich werde langsam alt. Ich weiß, diese Erkenntnis wird der Generation meiner Eltern nur ein nachsichtiges Lächeln entlocken. Doch inmitten der Rucksacktouristen fühle ich mich oft wie eine verzweifelte Mutter, die mit ihrer Tochter nächtelang durch Diskos zieht - also eindeutig fehl am Platz.
Das fängt schon beim Aussehen an. Während ich mich durch bunte Souvenir-Shirts auf den ersten Blick als Tourist oute, halten sich richtige Backpacker an eine feste Kleiderordnung. Am wichtigsten dabei: Extraweite Camouflage-Shorts, die knapp über den Kniekehlen hängen. Dazu gehört ein Unterhemd, das aussieht, als hätte man gerade drei Monate im Dschungel gelebt. Minimum eine Tätowierung pro Extremität, Rasta-Zöpfe und ein Bart à la Che Guevara sind genauso Pflicht wie der iPod-Knopf im Ohr - man könnte ja sonst in ein Gespräch verwickelt werden.
Generell lehnt der wahre Backpacker alles Touristische ab. Ein gelungener Urlaubstag besteht für ihn aus stundenlangem Biertrinken auf Hotelsofas und einer politisch-philosophischen Diskussion bis tief in die Nacht. Ich habe das einmal versucht. Doch anstatt über Kommunismus, Weltfrieden oder wenigstens das billigste Bier der Stadt zu debattieren, musste ich am frühen Nachmittag schwankend mein Zimmer aufsuchen. Und während die Wände immer engere Kreise um mein Bett zogen, erinnerte ich an mich an die Worte meines Vaters, als er uns drei Brüdern erklärte, warum der familieninterne Fußballsonntag künftig ohne ihn stattfindet: "Manche Dinge gehen einfach nicht mehr so gut, wenn man ein bestimmtes Alter erreicht."
Ich jedoch habe noch Hoffnung auf ein Leben als wahrer Backpacker. Womöglich fehlt es mir nur an Reiseerfahrung. Wer weiß, vielleicht sitze ich schon nach zwei weiteren Monaten tagelang in Hotellounges, trinke Bier um Bier und ergründe mit Meinesgleichen den Sinn des Lebens, während ein glatzköpfiger Tätowierer asiatische Schriftzeichen in meinen Unterschenkel ritzt. Denn wie erklärte mir schon Don, ein 58-jähriger Alt-Hippie aus Kanada, an einem meiner ersten Abende in Asien: "Eines weiß ich sicher: Reisen hält jung."

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Tourist auf dem ersten Blick: vor den Tempeln von Angkor Wat

In: Münchner Merkur, 16./17. Dezember