25 Dezember 2006

Weihnachten in Hanoi

Hanoi, Vietnam (ps) - Mit Weihnachten ist es jedes Jahr das Gleiche. Mich erinnert es an einen Schneeball, der mit der Zeit immer größer und schließlich zu einer gewaltigen Lawine wird. Niemand kann sich ihr entziehen. Die Vorboten - sozusagen erste Schneeflocken - sind die ab Oktober in den Supermarktregalen stehenden Schoko-Nikoläuse. Während es im November abgesehen von den Plätzchen der übereifrigen Oma weitgehend ruhig ist, kommt die Lawine zur Adventszeit richtig in Fahrt. Christkindlmärkte schießen aus dem Boden, der Geruch von Lebkuchen hängt in der Luft und die Kaufhäuser spielen die ewig gleichen Weihnachtslieder. Höhepunkt ist Heilig Abend, wenn Horden von verzweifelten Gesichtern durch die Innenstadt jagen, um mit einem Last Minute-Geschenk doch noch Fest, Familiensegen oder Ehe zu retten.
Viele Menschen hassen all das. Ginge es nach ihnen, würde man den Dezember aus dem Kalender streichen. Mir ist das ein Rätsel. Ich liebe Weihnachten. Schon im November habe ich alle Geschenke beisammen. Zur Adventszeit summe ich Weihnachtslieder in der U-Bahn und ernte dafür böse Blicke der anderen Fahrgäste. Ab Nikolaus vertilge ich Unmengen Plätzchen, Stollen und Glühwein, was zur Folge hat, dass ich jedes Silvester meine schwarze Jogginghose aus dem Schrank krame. Nur ihr elastischer Gummizug erlaubt es mir, auch in dieser Zeit bedenkenlos auszuatmen.
Doch dieses Jahr war alles anders. Weihnachten war ich in Vietnam - einer Oase für Feiertagsmuffel. Sicher, auch hier kennen sie den dicken, bärtigen Mann mit dem Sack voll Geschenke. Doch im Gegensatz zu Zuhause ist das Fest keine Lawine, sondern geschieht eher nebenbei. Geschenke sind die Ausnahme, Christbäume sieht man nur in Hotelfoyers und für Schokolade oder Glühwein ist es ohnehin zu heiß. "Ja, wir feiern Weihnachten", erklärte mir der Kellner in einem der wenigen dekorierten Cafés. Doch auf die Frage nach dem Wann wurde er unsicher: "Im Dezember... und im Januar, glaube ich."
Während im heimischen Garching wie jedes Jahr der Christbaum geschmückt wurde, schlenderte ich über Hanois berühmten Markt. Es roch nicht nach Zimt und Schokolade, sondern wie in einer Nordsee-Filiale. Statt mit Geschenkpapier musste ich mich mit zahnlosen Vietnamesen abmühen, die mir Zigaretten, Drogen und Frauen verkaufen wollten. Und trotz T-Shirt und Flip-Flops stand mir bei sonnigen 29 Grad der Schweiß auf der Stirn. Sie merken: Ein wenig habe ich Weihnachten schon vermisst. Doch wenigstens etwas Gutes hat meine Abstinenz: Zum ersten Mal seit langem werde ich das neue Jahr nicht in einer schwarzen Jogginghose begrüßen.

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Weihnachtsmann, Palmen und ich - alle in Hue, Vietnam

In: Münchner Merkur, 27. Dezember 2006

2 Comments:

At 5:19 PM, Anonymous Anonym said...

Ho Ho Ho patrik

Fröhliche Weihnachten wünsch ich dir.

Das sind ja mal ganz andere eindrücke zu weihnachten, aber 29 grad und sonnenschein wären mir auch recht, nachdem hier in münchen sowieso kein schnee liegt.
geniess die feiertage und die letzten tage in asien.

musst dich dieses jahr selber beschenken, aber zigaretten, drogen und frauen - alles was ich mir diese jahr gewünscht habe ;)- .... na da fehlt doch nur der gute alte weggefährte alkohol.

hau rein und lass dich nicht anquatschen

 
At 3:35 AM, Blogger Patrik said...

Hey Mr. D!
Frohe Weihnachten in die Heimat!
Ich hoffe du geniesst Mamas Festessen samt Plaetchen, Lebkuchen und Feuerzangenbowle. Kuemmer dich ein wenig um die Jungs in der WG und - bitte - werf einen Blick in mein kleines Zimmer, ob Jana es auch gut behandelt.
Ach ja, und pass auf mir Basti & Cap in Kopenhagen auf - nicht dass die Jungs in Christiania haengen bleiben...
Bis denne und en guten Rutsch,
Patrik

 

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