28 März 2007

"keine Angst, Mama!"...

... auch hier in Südamerika geht es mir gut. Vor nunmehr rund zehn Tagen habe ich Chiles Hauptstadt Santiago den Rücken gekehrt und mich in Richtung Süden aufgemacht. Schließlich stand ich unter Zeitdruck. Denn eigentlich hätte ich am 2. April in Puerto Montt sein müssen, um das im vorletzten Beitrag bereits angesprochene Ticket für Navimag Magellanes wahrzunehmen und mir damit einen Kindheitstraum zu erfüllen. Die Google-Enthusiasten unter den Lesern werden es bereits herausgefunden haben: Hierbei handelt es sich um eine viertägige Bootsfahrt, die von Purto Montt entlang der chilenischen Pazifikküste und durch die zerklüfteten Fjorde Patagoniens bis nach Puerto Natales geht (siehe Karte). Angeblich hat man von Bord aus bei gutem Wetter unvergessliche Ausblicke auf die malerische Landschaft und außerdem hört sich die Fahrt durch die menschenleeren Küstenregionen nach einem Abenteuer an. Denn die Puerto Eden ist trotz ihres verheißungsvollen Namens nicht etwa Kreuzfahrtschiff, sondern vielmehr ein Frachtboot, das Güter in die schwer erreichbaren Gebiete Patagoniens befördert. Nebenbei verdienen sich die Betreiber ein Zubrot, in dem sie zahlungsbereite Touristen in den engen Kabinen an Bord unterbringen. Aber "keine Angst, Mama!", das ganze ist durchaus seriös und wird sogar im Lonely Planet-Reiseführer erwähnt - wenngleich unter dem zweifelhaften Titel The Good, the Bad and the Ugly. Doch aufmerksame Leser werden bereits weiter oben über das kleine, verhängnisvolle Wörtchen "eigentlich" gestolpert sein. Denn leider muss sich mein Kindheitstraum noch ein wenig gedulden. Die gute Puerto Eden befindet sich momentan nämlich in Reparatur, so dass ich die Abreise kurzerhand auf den 9. April verschieben musste.

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Leider gerade in Reparatur: Fähre nach Patagonien

Doch glaubt mir: Es gibt durchaus schlimmere Orte, um festzusitzen, als den wunderschönen Lake District. Dieses argentinisch-chilenische Gebiet rund 1.000 Kilometer südlich von Santiago hat mit seinen blauen Seen, zahllosen Nationalparks und den mächtigen Gipfeln der Anden schon Ernesto "Che" Guevara begeistert, der die Gegend einst mit seinem legendären Motorrad erkundete. Nehmt alleine meine letzte Woche. Nahe dem kleinen Touristenörtchen Pucon bin ich im Rahmen einer Tour auf den Vulkan Villarica (2.800 Meter) geklettert, habe einen Blick in den immer noch aktiven Krater geworfen und bin im Schnee auf meinem Hintern zurück ins Tal geschlittert. Mit Valdivia habe ich danach eine der schönsten Städte Chiles besichtigt und dabei einen lohnenswerten Abstecher in der Brauerei Kunstmann* gemacht, wo Bier von fast heimischer Qualität serviert wird. Und nicht zuletzt ging es zu Tagesausflügen in die landschaftlich atemberaubenden Nationalparks Conguillio, Huerquehue und Altos de Lircay.

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In voller Bergsteiger-Montur auf dem aktiven Vulkan Villarica

Das Reserva Altos de Lircay habe ich übrigens in der Begleitung von Eliane durchwandert, einer 29-jährigen Französin aus Paris, die gerade von ihrem Freund verlassen wurde, der sich in seinem Alter noch nicht reif für eine derart feste Beziehung fühlte. Woher ich das alles weiß? Nun, auf unserer siebenstündigen Tour hat die gute Eliane sich ausgiebig über ihr derzeit so aufgewühltes Liebesleben unterhalten. Ich gebe zu, das hört sich fast noch anstrengender an, als die kräftezehrende Wanderung auf das Balsaltplateau El Enladrillado, doch angesichts ihrer freundlichen und äußerst sympathischen Art, war das ganze durchaus sehr unterhaltsam. Fast hat mir Eliane ein wenig Leid getan, denn nichts wünscht sie sich sehnlicher als einen Ehemann, um endlich mit dem Kinderkriegen beginnen zu können. Doch "keine Angst, Mama!", wir haben uns nur unterhalten, auch wenn Eliane mich am Ende unserer Wanderung plötzlich laut schreiend ansprang. Doch der Grund hierfür war nicht etwa eine aufschäumende Gefühlswallung, sondern vielmehr der Schreck ob einer haarigen, hässlichen Kreatur vor der sich meisten Frauen fürchten. Nein, die Rede ist nicht von mir, sondern...

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... von jener, handtellergroßen Spinne, die seelenruhig vor unseren Augen den Wanderpfad überquerte. Doch "keine Angst, Mama!" das Foto habe ich aus sicherer Distanz geschossen, während sich Eliane hinter meinem Rücken in einer Serie von merde und putain erging.
Ansonsten werde ich mich morgen zum ersten Mal über die Grenze nach Argentinien wagen, um in meiner durch die Reparaturarbeiten gewonnenen Woche auch diese Seite des Lake Districts zu erkunden. Mit Bariloche steht dabei übrigens nicht nur das operative Touristenzentrum des Gebiets, sondern auch die selbst ernannte Schokoladen-Hauptstadt Argentiniens auf meinem Reiseplan. Doch nach so vielen ausgiebigen Trekking-Touren wird es dafür höchste Zeit. Ein letztes Mal also: "keine Angst, Mama!" - auch in Südamerika werde ich nicht vom Fleisch fallen.

Auf flickr findet ihre einige Fotos von meinen ersten beiden Wochen in Chile.


*Kunstmann? Das hört sich doch ziemlich Deutsch an? Richtig, hier im Lake District findet man noch jede Menge kulturelle Überbleibsel jener deutschen Einwanderer, die im 19. Jahrhundert und Mitte des 20. Jahrhunderts von der chilenischen Regierung angeworben und in dem Gebiet sesshaft wurden. Das Hotel am See, eine Straße namens Clementine Holzapfel oder Architektur wie in einem bayerischen Alpendorf - fast täglich werde ich hier an Zuhause erinnert.

1 Comments:

At 3:04 PM, Anonymous Anonym said...

Servus Patrick,

wollt nur mal erwähnen, dass du deine Berichte nicht umsonst schreibst, bin auch immer noch mit dabei und es ist wirklich beneidenswert, was du grad alles erlebst!
Lass es dir weiterhin gut gehen und beglücke mich weiter mit deinen fabelhaften Geschichten!

Liebe Grüße aus England, Carmen

 

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