30 April 2007

Genug ist genug!

Seit fünf Wochen reise ich nun schon durch die südlichen Regionen Chiles und Argentiniens. Patagonien, Feuerland und der oft als "Patagonien Light" bezeichnete Lake District - hier bin ich auf Vulkane geklettert, in Nationalparks gewandert, durch kniehohen Schnee gestapft; ich habe Gletscher, Bergseen und Wasserfälle bewundert sowie Ausflüge mit Mountainbike und Segelboot unternommen. Es war oft abenteuerlich, immer landschaftlich wunderschön und meist kalt - oft auch eisig kalt. Doch genug ist genug! Ich will wieder in die Wärme, schwitzen, die Sonne sehen, Flipflops und Shorts tragen. Auf der Südhalbkugel, wo gerade Herbst ist, heißt das: Ab in den Norden.
Doch bevor ich den menschenleeren, aber pittoresken Südprovinzen den Rücken kehre, standen in der vergangenen Woche noch zwei Klassiker der Touristenroute auf dem Programm: El Chalten und El Calafate. Letzteres ist ein kleiner Ort am Fuße der Andenausläufer mit rund 8.000 Einwohnern, dessen Ruhm - auf der Hauptstraße reihen sich Souvernirshops, Tourveranstalter und überteuerte Restaurants - auf einer einziger Attraktion beruht: Dem 80 Kilometer entfernten Petito Moreno Gletscher. Er ist ein Ausläufer der 300 Kilometer langen Eisplatte, die sich zwischen den beiden Gebirgsketten der Anden erstreckt und insofern besonders, als dass er sich im Gegensatz zu den meisten anderen Gletschern weiter ausdehnt. Petito Moreno wächst täglich um zwei Meter, so dass riesige Eisberge mit ohrenbetäubendem Donnern von der bis zu 80 Meter hohen Eiswand in den darunter liegenden Lago Argentino stürzen. Dieses Spektakel lockt die Touristen an und glaubt mir: Selbst nachdem ich nun schon etliche Gletscher besucht habe, entlockten die Ausblicke von Plattformen und Boot mir ehrfurchtsvolle Wows im Minutentakt.

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Eine Eiswand von 80 Meter Höhe: Der Petito Moreno Gletscher

Mein zweiter Stopp, El Chalten, ist ein winziges Dörflein, das noch einmal rund vier Stunden nördlich von El Calafate und eingeschlossen von den schneebedeckten Gipfelketten der Anden liegt. Im Winter wohnen hier weniger als 500 Menschen, doch im Sommer strömen die Touristen zu Tausenden (letzte Saison: 45.000) in das zu dieser Zeit hoffnungslos überbevölkerte Örtchen. Der Grund: El Chalten hat mit dem nördlichen Sektor des Parque Nacional Los Glaciares ein Wanderparadies direkt vor der Haustür. Unmittelbar am Ortsausgang beginnen die Trekkingpfade rund um - oder für Extremkletterer auf - die Granitgipfel Fitzroy (3.400 Meter) und Torre (3.000 Meter).

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Von Berggipfeln umgeben: Das kleine Örtchen El Chalten

Ende April ähnelt El Chalten aufgrund des unberechenbarem Klimas bereits einer Geisterstadt, doch da ich hier zumindest abschnittsweise Glück mit dem Wetter hatte, konnte ich an jedem meiner drei Tage zu Wandertouren aufbrechen. Damit habe ich nunmehr in sechs Wochen Südamerika stolze 16 Tage in zehn verschiedenen Nationalparks verbracht und bin dabei täglich zwischen sechs und acht Stunden gewandert. Noch einmal: Ich!, der Zuhause schon über den Weg zum Supermarkt jammert und der für die fünf Minuten Strecke zum Marienplatz in die S-Bahn steigt. Doch so schön die Trekkingausflüge in Patagonien auch waren - momentan habe ich (zumindest vorerst) genug vom Wandern. Genug ist schließlich genug!

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Wanderparadies um Chalten. Hier: Der Cerro Torre

Genug Kälte, genug Regen und Schnee, genug Wandern - was läge da näher als endlich den tropischen Norden Argentiniens zu erkunden? Entsprechend mache ich mich morgen auf in das 4.000 Kilometer entfernte Puerto Iguazu im äußersten Nordosten des Landes, von wo aus man sowohl die brasilianische, als auch die paraguayische Grenze im Blickfeld hat. Mit dem Bus würde ich von hier etwa 70 Stunden brauchen, doch selbst unregelmäßige Leser meiner Berichte wissen: Wenn es etwas gibt, von dem ich wirklich genug habe, dann ist es das Busfahren. Schließlich liegen ein 12-Stunden-Bustrip von Puerto Natales nach Ushuaia, 19 Stunden weiter nach El Calafate, und 4 Stunden nach El Chalten hinter, sowie eine 8-Stunden-Fahrt nach Rio Gallegos vor mir. Doch genug ist genug! In Rio Gallegos steige ich in den Flieger, der mich über Buenos Aires nach Puerto Iguazu bringt. Dort wartet mit den weltbekannten Wasserfällen eine der größten Touristenattraktionen Südamerikas (wanderfrei übrigens) und - nicht weniger wichtig für mich - tropisches, d.h. deutlich wärmeres Wetter.

26 April 2007

Ein einschneidendes Erlebnis

So konnte es nicht weiter gehen. Beim Blick in den Spiegel schaute ich auf eine Mischung aus Albert Einstein und Carlos Valderrama - leider weder hinsichtlich Intelligenz noch Fußballgenie, sondern in Bezug auf die Frisur. Kamen mir auf der Straße junge, argentinische Mütter entgegen, zogen sie instinktiv ihre Kleinen näher zu sich, aus Angst vor dem großen, blonden Deutschen mit dem Vogelnest auf dem Kopf. Kurzum, ein Haarschnitt war dringend nötig. Das Problem: Ich bin in Südamerika und meine Spanischkenntnisse sind immer noch dem Englisch von Lothar Matthäus ebenbürtig.
Nichtsdestotrotz packte mich heute der Wagemut und ich entschloss mich kurzerhand zu einem Friseurbesuch. Der erste Versuch endete jedoch kläglich. Denn während ich die Straße hinunterlief und gedankenverloren in meinem Wörterbuch Vokabeln wie "kürzer", "länger" und "Aua, das war mein Ohr" nachschlug, spürte ich plötzlich etwas Feuchtes an meinen Füßen. Nach genaueren Hinsehen wusste ich nicht, ob ich lachen oder schreien sollte. Ganz wie im besten Comicheft war ich vorbei an einer Absperrung und mitten in frischen Zement gestapft.
Doch so leicht wollte ich nicht aufgeben und so stand ich 30 Minuten später in Flipflops - meine Schuhe hatte ich nach einer langwierigen Waschaktion zum Trocknen aufgestellt - im Friseursalon von El Calafate. Dort begrüßte mich eine Dame mittleren Alters mit einem freundlichen "wie kann ich ihnen helfen?" - selbstverständlich in Spanisch. Unwillkürlich drehte ich mich um, denn ihren Augen nach zu urteilen, sprach die Frau mit einer Person links hinter mir. Ich konnte jedoch niemanden entdecken und erst ein zweiter Blick auf die Dame machte mir den Sachverhalt klar: Die nette Frau schielt und das in einer Art wie ich es bisher erst einmal gesehen habe - bei Herrn Klima, unserem Geschichtslehrer in der achten Klasse. Ich erinnere mich noch, als er mit seiner dickem Hornbrille am ersten Schultag das Zimmer betrat und wie wir - Kinder können so grausam sein - uns ob seiner schielenden Augen kichernd in den Bänken wanden.
Diesmal war mir jedoch verständlicherweise nicht zum Lachen zumute, doch ich beruhigte mich bald. "Sie kann unmöglich die Friseuse sein", sagte ich mir und nahm entschlossen auf dem angebotenen Stuhl Platz. Ihr ahnt es bereits: Die Dame war natürlich die einzige Friseuse in dem Laden. Als sie freundlich grinsend die Schere zur Hand nahm, schloss ich meine Augen und betete - ungelogen. Fünfzehn Minuten später öffnete ich sie wieder - auf ein "bueno, finito" der schielenden Dame - und was soll ich sagen? Beide Ohren waren noch an ihrem Platz und beim Blick in den Spiegel war ich nicht weniger enttäuscht als gewöhnlich, wenn ich in Deutschland zum Friseur gehe. Trotzdem unterlasse ich es selbstverständlich, hier ein Foto des letzten Werks von Señora Klima zu präsentieren. Denn nicht ohne Grund habe ich mir den Haarschnitt mit einem Monat Sicherheitsabstand bis zu meiner Rückkehr nach München verpassen lassen. Und spätestens bis dahin sollte dann doch Gras... äh Haare über die Sache gewachsen sein.

23 April 2007

Eiszeit im Süden

Bei den Planungen für meine Tour um den Erdball hatte es zwar nicht oberste Priorität, doch in den bisherigen sechs Monaten bin ich permanent der Sonne hinterhergereist. Südostasien, Australien, Neuseeland und die Mitte Chiles - überall war es warm bis heiß und trocken, so dass ich Dinge wie Regen, graue Wolken, Kälte und Schnee schon fast vergessen hatte. Meinen ersten und bis heute einzigen Pullover habe ich nach zwei Monaten in Hongkong erstanden, doch in der Folgezeit wurde er eher selten gebraucht. Mein tägliches Outfit bestand aus T-Shirt, Shorts und Flip-Flops und selbst darin waren die Tage zumeist schweißtreibend. Doch all das gehört nunmehr der Vergangenheit an, denn mittlerweile bin ich am südlichsten Zipfel der Amerikas - in Argentiniens Ushuaia, der südlichsten Stadt der Welt. Von hier sind es noch 1.000 Kilometer bis zur Antarktis. Oder anders: Der 4.000 Kilometer entfernte Südpol ist näher als die Nordgrenze des Landes. Es ist kalt, windig und der regelmäßige Regen wird schon jetzt im Herbst nicht selten zu Schnee. Für mich bedeutet das vor allem eins: Ich friere.

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Ushuaia ist die südlichste Stadt der Welt - und kalt

Am extremsten erlebte ich die neuen Wetterbedingungen bei meinem Besuch in Chiles Torres del Paine, dem wohl bekanntesten Nationalpark Südamerikas. Er liegt in Patagonien, ungefähr drei Stunden entfernt von Puerto Natales. Der kleine 10.000-Einwohner-Ort existiert aus einem Grund: Den rund 200.000 Touristen, die den Park pro Jahr besuchen. Ich kam mit der Navimag-Fähre in Puerto Natales an und schon an Bord wurden fleißig Pläne geschmiedet: Fünf Tage wollten wir den populären "W"-Treck im Park ablaufen - beladen mit (gemieteten) Zelten, Isomatten, Schlafsäcken, Gaskocher und einem Vorrat an geschmacksarmen, aber nahrhaften und leichten Lebensmitteln. Im Sommer - auf der Südhalbkugel ist das Dezember bis Anfang März - tummeln sich tausende Wanderer auf dem "W" und die Campingplätze sind bis auf den letzten Quadratmeter mit Zelten zugepflastert. Im April ist der Touristenstrom jedoch schon weitgehend verebbt. Die Erklärung hierfür ist das unberechenbare Wetter - doch dazu später mehr.
Wir, das waren übrigens Diego (Baskenland), Aline (franz. Schweiz) und ich - eine bezüglich der jeweiligen Spanisch- (Diego perfekt, Aline OK, ich erbärmlich) und Englisch- (ich perfekt, Aline OK, Diego dürftig) -Kenntnisse äußerst interessante Kombination. Beispielhaft einer der vielen multilingualen Dialoge während unseres Ausflug:

Patrik (zu Diego): "Look mate! Over there are some icebergs."
Diego: "What?"
Patrik (stockend): "Aqui hay unas montagnas de helado."
Diego (entgeistert zu Aline): "Como?"
Patrik (zu Aline, erneut stockend): "Là, il y a les montagnes de ice!"
Aline: "Quoi? What?"
Patrik (langsam, laut): "Icebergs! There!"
Diego und Aline: "Ah. Icebergs!"
Patrik (zu Diego): "Como se dice 'iceberg' en espagnol?"
Diego: "Iceberg. What is it in English?"
Patrik: "Iceberg." (zu Aline) "And in French?"
Aline: "Iceberg. And in German?"
Patrik: "Eisberg."
Alle: "Ahh."

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Spektakulärer Nationalpark: Torres del Paine

Der erste Tag in Torres del Paine begann viel versprechend: Es war trocken, nicht zu kalt und nach einer fünfstündigen Wanderung wurden wir mit einem traumhaften Ausblick auf den blau-schimmernden Gray-Gletscher belohnt. Doch bereits am Nachmittag des nächsten Tages setzte Regen ein, so dass wir nach einem langen und anstrengenden Wandertag (ich fange gar nicht an, ob des 12-15 Kilo schweren Rucksacks zu jammern) unsere Zelte bei Kälte und Regen in der Dunkelheit aufbauen mussten. Tag drei brachte ab der Mittagszeit erneut Regen, der in der eisigen Nacht in Schneefall umschlug, so dass wir am Morgen von einer 30 Zentimeter hohen Neuschneedecke geweckt wurden. Angesichts zugeschneiter Wege - hier will ich meine Turnschuhe kurz erwähnen, die den uns entgegen kommenden, perfekt ausgerüsteten Wanderern regelmäßig ein höhnisches Lächeln entlockten - und anhaltendem Schneefall entschlossen wir uns, auf den letzten Tag zu verzichten und den Rückweg anzutreten. Am Abend erreichten wir schließlich frierend und müde, aber glücklich Puerto Natales. Gerne würde ich das Gefühl nach der heißen Dusche im Hostel beschreiben, doch dafür müsste ich auf den entstandenen Körpergeruch nach fünf Tagen Wandern ohne Wasserkontakt (von Regen und Schnee abgesehen) beschreiben. Und das will ich nun wirklich nicht.

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Schnee so weit das Auge reicht - in Torres del Paine

Stattdessen blicke ich lieber nach vorne, denn auch wenn ich in Ushuaia erneut viel Regen und Schnee zu Gesicht bekommen habe, so hat der Besuch in der südlichsten Stadt der Welt doch etwas Gutes: Da mir das nötige Kleingeld von rund 3.000 Euro für eine Antarktis-Expidition fehlt, werde ich gezwungenermaßen von nun an wieder nach Norden reisen. Und das bedeutet auf der Südhalbkugel vor allem eines: Es wird wärmer.

Hier findet ihr Fotos von unserem Camping-Ausflug in Torres del Paine, sowie Bilder von Ushuaia in Tierra del Fuega.

20 April 2007

Bettgenossen auf der Weltreise

Der Garchinger Journalist Patrik Stäbler hat im Sommer sein Studium beendet. Nun erfüllt sich der 27-Jährige einen Traum: In sieben Monaten reist er einmal um die Welt. An dieser Stelle berichtet er alle zwei Wochen von seinen Erlebnissen.

Puerto Natales, Chile (ps) - Ein halbes Jahr reise ich nun schon um die Welt und wenn ich unterwegs von meiner Tour berichte, höre ich oft dieselbe Frage: "Hast du nicht Heimweh?" Nun will ich niemand verärgern, doch meine Antwort darauf lautet: "Nein, nicht im Geringsten." Zugegeben, es gibt Dinge, die ich vermisse: Freunde, ein Samstagnachmittag vor dem Radio bei "Heute im Stadion" oder das Essen von Mutter, wenn ich am Wochenende zu Besuch bin. Und ganz oben auf der Liste: Eine Nacht im eigenen Bett. Denn nach Monaten in diversen Schlafsälen kann ich es kaum erwarten, wieder allein in einem Raum zu nächtigen.
Sicher, in den Gemeinschaftszimmern lernt man viele Reisende kennen, doch oft bezahlt man dafür einen hohen Preis: Die nächtliche Ruhe. Eher harmlos ist da noch der schnarchende Zimmerkollege. Grunzen, Röcheln und die klassische Säge - mittlerweile bin ich Experte in nächtlichen Atemgeräuschen. Schlimmer als jeder Schnarcher ist Störenfried Nummer zwei: Der partyhungrige Backpacker. Pünktlich um drei Uhr nachts wankt er mit dem letzten Bier in der Hand ins Zimmer. Hat man Glück, kracht er auf den Boden und bleibt dort regungslos liegen. Hat man Pech, macht sich der Partygänger auf die Suche nach seinem Bett. Das Problem: Oft weiß er nicht mehr, welches das ist. So ist es schon vorgekommen, dass ich mich schlaftrunken im Bett umdrehte, nur um neben mir eine schlummernde Bierleiche vorzufinden, die friedlich auf das Kissen sabbert. Die übelsten Bettgenossen sind jedoch nicht andere Reisende, sondern so genannte "bed bugs" – auf Deutsch: Bettflöhe. Zum Glück bin ich bisher verschont geblieben, doch die in Schlafsäcken und Matratzen nistenden Biester können einem den ganzen Urlaub verderben. In Santiago traf ich eine Amerikanerin, die es besonders schlimm erwischt hatte. Von Kopf bis Fuß war sie mit roten Pusteln übersäht. "Juckt schlimmer als jeder Mückenstich", versicherte sie mit schmerzverzerrtem Gesicht.
Dabei gab es auch Herbergen, in denen ich mich auf Anhieb wohl fühlte. Nahe Talca in Chile nächtigte ich etwa in einem vorbildlichen Hostel eines emigrierten Österreichers. Das Zimmer war geräumig, das Bett bequem und das Bad sauberer als manche Küche, in der ich auf meiner Reise gekocht habe. Das Beste war jedoch das Frühstück: Statt Instant-Pulver gab es frischen Kaffee, dazu Obst, Joghurt und hausgemachtes Brot. Nach Wochen labbriger Toastscheiben schmeckte Letzteres besser als jedes argentinische Steak. Und ganz ehrlich: Beim ersten Bissen kam ein Fünkchen Heimweh auf.

In: Münchner Merkur, 21./22. April

17 April 2007

Argentinien - ein Nachtrag

Wir sitzen in einem Restaurant in Argentinien. Vor uns türmen sich saftige Steaks auf den Tellern. Wir, das sind Tim, Joni, Vince und ich. Oder in Ländern ausgedrückt: USA, Israel, England und Deutschland. Was sich anhört wie ein Nahost-Friedensgipfel ist für Backpacker nichts Besonderes: Fast täglich trifft man neue Reisende aus aller Welt. Joni habe ich am Vormittag in der Küche meines Hostels kennen gelernt. Während ich wie so häufig Spaghettiwasser aufsetzte, schnitt er Kartoffeln für Pommes Frites zurecht. Nachdem wir uns einige Minuten unterhalten hatten, fragte er mich, ob ich nicht Lust hätte, mit ihm Abend zu essen. Ebenfalls dabei wären zwei weitere Backpacker, die er zuvor auf einem Ausflug kennen gelernt hat: Tim und Vince.
Nun sitzen wir also zu viert am Tisch. Keiner kennt den anderen länger als 24 Stunden. Fast zwangsläufig nimmt die Unterhaltung die bekannten Formen an: Woher man kommt, wie lange man unterwegs ist und welche Länder man bereits besucht hat bzw. noch besuchen wird. München ist dabei übrigens eine äußerst dankbare Heimat, denn die Stadt bietet gleich drei Gesprächsanfänge: Das weltbekannte Oktoberfest, Bayern München und seit diesem Sommer die Fußball-WM.
Während die Fleischberge vor uns langsam kleiner werden, kommt die Unterhaltung in Gang. Es wird gescherzt, es wird gelacht. Schließlich ist Joni an der Reihe. "Ich komme aus Tel Aviv", erklärt er leise und auf einen Schlag wird es ruhig am Tisch. Tel Aviv, das ist wie Bagdad, Jerusalem oder Kabul: Ferne, unbekannte Orte, die man ausschließlich aus den Abendnachrichten kennt. Halb Deutschland kann Tel Aviv mittlerweile auf einer Israelkarte einzeichnen - so häufig hat man sie in Fernsehen und Zeitung gesehen. Fast zwangsläufig kommt die Rede auf den Nahostkonflikt. "Wie hat das Ganze noch einmal genau angefangen", fragt Vince in die Runde. Doch jeder weiß, dass er sich eigentlich an Joni richtet.
Nach einer kurzen Pause fängt dieser an zu erzählen: Judenverfolgung, Zweiter Weltkrieg und Holocaust. Obwohl ich einer Generation angehöre, die jenen Teil der deutschen Historie lediglich aus dem Geschichtsunterricht kennt, zucke ich bei den Begriffen unweigerlich zusammen. Unterdessen hat Joni von der Gründung Israels berichtet und den Konflikten mit den benachbarten, arabischen Staaten. Später wird er mir verraten, dass er diesen historischen Abriss bereits unzählige Male auf seiner Reise vorgetragen hat. Ständig trifft er auf Backpacker, die mehr über den scheinbar ewigen Konflikt erfahren wollen.
Intifada, Selbstmordattentäter, Scharon, Arafat, Westbank und Gazastreifen - die Steaks sind inzwischen kalt und wir bei Begriffen angelangt, die praktisch jedem Europäer geläufig sind. "Der ganze Konflikt ist derart facettenreich und kompliziert, dass selbst ich nicht alle Probleme verstehe", erklärt Joni. Sein Bericht klingt ungewohnt, wenn man die ausgeklügelten Reden von Politikern und Lobbyisten gewohnt ist. In Jonis Stimme ist kein Hass, es sind keine Überredungsversuche und keine Rechtfertigungen - eher klingt Resignation durch. Ganz um Ende sagt er schließlich jenen Satz, mit dem er seine Erzählung jedes Mal beschließt: "Das Schlimmste an dem Konflikt ist, dass es einfach keine Lösung gibt. Deshalb wird das Bomben und Töten weitergehen - immer weiter."

12 April 2007

Eine Schiffsfahrt die ist lustig...

Nun liegt es also hinter mir: Von Puerto Montt nach Puerto Natales, vom Lake District nach Patagonien (siehe Karte), rund 1.500 Kilometer, knapp 70 Stunden Fahrt, zweieinhalb Tage Regen, eineinhalb Tage Sonnenschein - das sind die Eckdaten meiner vier Tage und drei Nächte auf der Puerto Eden. Um es vorwegzunehmen: Es war überraschend komfortabel, angenehm und relaxt. Die Ausblicke von Deck - vor allem natürlich am vorletzten, dem sonnigen Tag - waren tatsächlich oft atemberaubend. Hier eine Kurzfassung der Bootsodyssee.

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Endlich auslaufbereit: Die Puerto Eden

Mo, 16:00 - Einchecken Rund 80 Personen besteigen den riesigen Dampfer und bahnen sich ihren Weg vorbei an Autos, Trucks und Containern zu den Kabinen. Ich sehe überraschend wenig "typische" Backpacker, dafür viele ältere Reisende, Senioren, Pärchen und offensichtliche Wanderer. Fast nur Europäer und Nordamerikaner.
Mo, 16:15 - Kabine Zwei Stockbetten, ein Waschbecken, Schrank, Heizung, winziges Bad und ein kleines Bullauge - alles auf weniger als neun Quadratmetern. Zum Glück sind wir nur zu dritt in der Viererkabine (Nachsaison): Diego (Spanien) und ein französisch-sprechender Kanadier, beide mittleres Alter.
Mo, 18:00 - Gemeinschaftsraum Nein, es ist wirklich keine Kreuzfahrt. Es gibt genau einen Aufenthaltsraum mit Couches, Leinwand und Tischen. Er ist gleichzeitig Kino (3 Filme pro Tag), Esszimmer, Gemeinschaftsraum, Bar und (am letzten Abend) Disko.
Mo, 19:30 - Abendessen Ich sitze zusammen mit Julia (Berlin), die ich bereits aus den Hostels in Valdivia und Puerto Varas kenne. Es gibt: Fisch mit Reis, Salat, Brot, Obst und Saft. Es ist: Absolut delikat - genau wie die Frühstücke, Mittag- und Abendessen der folgenden Tage. Welche eine angenehme Abwechslung zum selbst einkaufen, kochen, abspülen der letzten Monate.
Mo, 23:00 - Abendgestaltung Nach dem Film (Motorcycle Diaries) sitzt man zusammen bei ein paar Gläsern Bier bzw. Wein. Die meisten Passagiere haben den Alkohol tütenweise an Bord gebracht. Trotzdem bleibt es ruhig und gesittet. Mittlerweile kenne ich das halbe Schiff, da man nahezu pausenlos im Gemeinschaftsraum sitzt und sich mit anderen unterhält.

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Ausblick von Bord - bei schlechtem Wetter

Di, 8:00 - Tag Zwei Die erste Nacht an Bord habe ich geschlafen wie ein Stein. Nach dem ausgiebige Frühstück beginnt der Schiffsalltag: Kaffee trinken, lesen, unterhalen, Small Talk, ausruhen, relaxen, träumen und nur ganz selten ein Ausflug aufs Deck. Denn: Es regnet, ist grau und eisig-kalt.
Di, 15:00 - Golf von Pena Die Warnung kommt per Lautsprecher: "Allen Passagiere, die anfällig für Seekrankheit sind, raten wir, nun ihre Pillen einzunehmen." Hintergrund: In zwei Stunden geht es auf offene Meer durch den Golf von Pena. Dort warten Wellen und rauher Seegang. Ich entscheide mich gegen eine Pille: Irgendwann muss ich ja herausfinden, ob ich seekrank werde oder nicht.
Di, 17:00 - Fliegender Teppich Es geht los: Ernst sanft, doch immer heftiger beginnt das Schiff Hin und Her zu schaukeln. Fühlt sich an wie Fliegender Teppich auf der Wiesn. Meinem Magen geht es blendend - anscheinend können ihn tatsächlich nur Ziegen und Meeresfrüchte aus der Bahn werfen.
Di, 19:30 - Seekrankheit Hungrig mache ich mich auf den Weg in den Gemeinschaftsraum und will mich in die obligatorische Schlange vor der Essensausgabe einreihen. Doch Überraschung: Der Raum ist halbleer, mehr als die Hälfte der Passagiere hat sich ins Bett (leicht seekrank) oder auf die Toilette (schwerere Fälle) zurückgezogen haben. Aus einer Kabine im Unterdeck kommen erschreckend laute Kotzgeräusche. Ich habe weiter keinerlei Probleme - und kann mir dank der geringen Essensbeteiligung einen Nachschlag holen.
Di, 23:30 - Wiege der Nacht Mittlerweile sind wir mitten im Golf. Das Schiff schaukelt enorm und bei meinem kurzen Abstecher auf Deck wäre ich beinahe von Bord geweht worden. Ob ich bei solchen Bedingungen schlafen kann? Zur Sicherheit gönne ich mir noch eines der mitgebrachten Dosenbiere. Keine fünf Minuten später schlummere ich auch schon wie ein Baby in wiegenden Bett.

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Ausblick von Bord - bei gutem Wetter

Mi, 8:00 - Tag Drei Nach acht Stunden Schlaf mache ich mich ausgeruht auf zum Frühstück, Dort erkennt man sofort, wer gestern gelitten und kaum ein Auge zugemacht hat - viel Gähnen, Augenringe und übermüdete Gesichter. Dafür gibt es eine Überraschung: Die Sonne kommt hervor. Sofort ströhmen alle Passagiere an Deck, knipsen Fotos und genießen die Aussicht auf enge Kanäle, schneebedeckte Berge, Seelöwen und Vögel.
Mi, 16:00 - Pläne schmieden Nach dem Marsch der Pinguine beratschlage ich mit Julia (Berlin) , Diego und Aline (Lausanne). Zusammen wollen wir die wohl populärste Mehrtageswanderung in Südamerika absolvieren: Den so genannte W-Treck (4-5 Tage) im Nationalpark Torres del Paine nahe Puerto Natales. Der Plan: Geld sparen und statt in warmen Refugios im gemieteten Zelt nächtigen. Gekocht wird mit dem Gasbrenner. Die Gefahr: Das unberechenbare Wetter.
Mi, 20:00 - Bingo! Am letzten Abend gibt es an Bord das traditionelle Bingo - Patagonia. Inzwischen haben sich alle Passagiere erholt. Die Folge: Die in der Nacht zuvor unangetasteten Alkoholvorräte müssen geleert werden. Trotz schrecklicher Musik herrscht dementsprechend schnell fröhliche Stimmung. Beim Bingo gehe ich leer aus - zum Glück. Denn ebenfalls laut Tradition müssen die Sieger einen Tanz vorführen.

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Endlich am Ziel: Puerto Natales

Do, 8:00 - Tag Vier Ein letztes Mal Aufstehen, ein letztes Mal Frühstück. Das Wetter scheint in Ordnung, so dass sich die meisten hoch aufs Deck trauen, um noch ein paar Fotos zu schießen. Die Landschaft ist inzwischen richtig winterlich. An uns ziehen schneebedeckte Gipfel, Gletscherzungen und unberührte Natur vorbei. Inzwischen kenne ich wirklich jeden an Bord und ein Wiederehen scheint vorprogrammiert: Praktisch alle Passagiere wollen von Puerto Natales aus in den Nationalpark Torres del Paine
Do, 12:00 - Noch einmal das Wetter Seit einer Stunden sitzen wir im Gemeinschaftsraum und warten. Alles ist gepackt und eigentlich sollten wir inzwischen schon in Puerto Natales an Land gegangen sein. Doch ein starker Wind ist aufgekommen, so dass das Schiff nicht in den Hafen laufen kann. Einziger Vorteil: Dank der Verspätung bekommen wir ein weiteres Mittagessen serviert - wie immer lecker und kostenlos.
Do, 12:30 - Land in Sicht Geschafft! Nach rund 70 Stunden legen wir in Puerto Natales ein. Ein letztes Foto von unserer Fähre, viele Verabschiedungen und dann geht es mit Julia, Aline und Diego in ein nahes Hostel. Dort wollen wir jedoch nur eine Nacht bleiben, bevor es morgen in den Nationalpark geht. Entsprechend gibt es viel zu tun: Zelt mieten, Route planen und Essen einkaufen. Letzteres wird nach den Schlemmereien der vergangenen Tage karg ausfallen: Instant-Suppen, Nudeln, Oatmeal und Kartoffelbrei stehen auf dem Speiseplan.

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Sonnenuntergang auf hoher See

Fazit Kindheitstraum erfüllt, wunderbare Landschaften genossen, viele interessante Leute (sowie Trekkingpartner für Torres del Paine) kennen gelernt, gut gegessen, viel gelacht und nicht seekrank geworden. Es war also nicht nur interessant, sondern: Ein Erlebnis.

09 April 2007

Schiff Ahoi

Vor einer halben Stunde stand ich am Schalter von Navimag in Puerto Montt. Mit dem Wörterbuch in der Hand versuchte ich der netten Dame mit meinen verzweifelten Spanisch-Brocken zu erklären, dass ich doch gerne für die Fähre nach Puerto Natales einchecken würde. Während mir ob der Anstrengung - leider nicht wegen der Hitze, denn es ist kalt! - der Schweiß von der Stirn lief, lächelte sie freundlich und antwortete in einem Schwall von spanischen Sätzen. Doch das Wichtigste hatte ich verstanden: "Rucksack um die Ecke abgeben" und "spätestens um zwei Uhr wieder hier sein". Stolz grinste ich sie an und wollte gerade ein "Bueno, muchas gracias" in ihre Richung werfen, da beschloss die Dame ihrem Monolog mit den Worten: "You can check in your backpack around the corner. And please be here by two o´clock." Ihr Englisch war makellos.
Doch was soll´s? Nun geht es also endlich los: Vier Tage lang mit der Fähre von Puerto Montt durch die Fjorde Patagoniens nach Puerto Natales (siehe Karte). Und ich bin aufgeregt. Eigentlich wollte ich ja von den letzten Tagen in Puerto Varas berichten. Dem gemütlichen Hostel unter französischer Leitung. Meinem Ausflug nach Frutillar, jenem pittoresken Städtchen, das wie kein Zweites die Einflüsse deutscher Einwanderer bewahrt hat. Und dem Wanderausflug rund um den mächtigen Vulkan Osorno, wo ich mich zusammen mit Thomas (Frankreich) verirrt habe und wir stundenlang durch erkaltete Lava-Felder kletterten. Davon wollte ich berichten. Doch ich bin zu aufgeregt.

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Heimatliche Gefühle in Frutillar

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Vulkan Osorno nahe Puerto Varas

In weniger als vier Stunden geht es also endlich los und ich bin nicht nur aufgeregt, sondern auch gespannt. In den letzten Wochen habe ich mehrere Backpacker getroffen, die mit der gleichen Fähre von Süden nach Norden gereist sind. Manche waren begeistert und schwärmten von engen Fjorden, Gletschern und Eisbergen sowie Pinguinen, Walen, Delfinen und Seelöwen, die sie von Bord aus beobachten konnten. Andere berichteten dagegen von kaltnassem Wetter, schlechter Sicht und vier Tagen im engen, stickigen Gemeinschaftsraum während die Hälfte der Passagiere mit Seekrankheit und Übelkeit kämpfte. Von beiden Seiten fielen Stichworte wie winzige Kabinen, Bingo-Abende und literweise billiger Rotwein. Viel scheint auf das Wetter anzukommen, was mir Hoffnung machte, da es die letzten Tage strahlend sonnig war. Doch pünktlich zu meiner Abfahrt heute sind Wolken aufgezogen. Im Moment nieselt es draußen bei frostigen 11 Grad. Doch ich will nicht jammern, denn egal was mich auf der Fähre auch erwartet, eines ist sicher: Es wird interessant.

08 April 2007

Reisen mit Hindernissen

Der Garchinger Journalist Patrik Stäbler hat im Sommer sein Studium beendet. Nun erfüllt sich der 27-Jährige einen Traum: In sieben Monaten reist er einmal um die Welt. An dieser Stelle berichtet er alle zwei Wochen von seinen Erlebnissen.

Pucon, Chile (ps) - Ich stehe vor der Frischwarentheke im Supermarkt. Vor mir liegen Teigtaschen, Gebäckrollen und Sandwiches, wie ich sie noch nie zuvor gesehen habe. Das ist gut, denn ich habe Hunger. Es gibt nur ein Problem: Ich bin in Chile und mein Spanisch ist etwa so ausgereift wie die Rentenpläne der Bundesregierung – also mehr als dürftig. Doch ich lasse es auf einen Versuch ankommen. "Empanada de pino": ich weiß zwar nicht, was das bedeutet, doch die Teigtasche neben dem Schild sieht verlockend aus. Ich lächle die Verkäuferin an und zeige auf das Gewünschte. Sie greift nach der Teigtasche, platziert sie auf einem Pappteller und fast wähne ich mich am Ziel. Doch dann geschieht das Unvermeidliche: Sie stellt eine Frage – in Spanisch – und ich verstehe kein Wort. Will sie wissen, ob ich noch etwas möchte? Fragt sie nach meiner Telefonnummer? Oder ist sie schlecht gelaunt und hat mich gerade beleidigt? Aufs Geratewohl antworte ich mit "si, señora". Daraufhin nimmt sie die Teigtasche und steckt sie in den Ofen. Ja war offenbar die richtige Antwort, denn Empanadas isst man anscheinend warm.
Es gibt eine umstrittene US-Studie, die besagt, dass 55 Prozent einer Botschaft durch nonverbale Elemente wie Mimik und Gestik vermittelt wird. Nur sieben Prozent entfallen demnach auf den Inhalt der Worte. Nach zwei Wochen Südamerika weiß ich: Das ist Unsinn. Vielmehr stimme ich dem Reiseführer zu. Er warnt: "Ohne Spanischkenntnisse hat man es in Südamerika schwer." Nicht nur im Supermarkt, sondern am Ticketschalter oder in Hotels – jedes Gespräch ist für mich ein Kampf. Meine Waffen: Ein Wörterbuch, wildes Gestikulieren und einfache Skizzen auf diversen Zetteln.

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Verständigungsversuch mit Wörterbuch: In Argentinien

Was mich jedoch am meisten überrascht, ist die Geduld und Offenheit der Leute. Obwohl ich jeden Dialog mit einem "ich spreche sehr schlecht Spanisch" beginne, scheint sie das nicht im Mindesten von Gesprächen abzuhalten. Fast kommt es mir vor, als wären sie froh, dass endlich jemand nur schweigend zuhört. So berichtete mir etwa eine ältere Dame an der Bushaltestelle lang und breit von ihrer Europareise. Oder zumindest vermute ich das, denn die einzigen Wörter, die ich verstand, waren Paris, Rom und Madrid. Dabei hatte ich nur nach einer Abfahrtszeit gefragt und ein simples Ja oder Nein erwartet. Ihr halbstündiger Monolog wurde erst durch den ankommenden Bus unterbrochen. Zum Abschied drückte sie mir strahlend einen Kuss auf die Wange und erst als sie schon eingestiegen war, murmelte ich leise: adios.

04 April 2007

Buenos Dias en Bariloche

Mit dem Besuch in Bariloche kann ich nunmehr Argentinien als den achten Staat auf meiner Weltreise vermerken.* Und nach nur sechs Tagen steht fest: Ich liebe dieses Land. Um langwierige Begründungen zu vermeiden hier nur ein paar Fakten zu Bariloche:

- Als eines von Argentiniens wichtigsten Touristenzielen beeindruckt Bariloche durch seine Lage: Kurz hinter der chilenischen Grenze erstreckt sich die Stadt entlang des riesigen, tiefblauen Nahuel Huapi Sees. Dahinter reihen sich schneebedeckte Vulkane und die Ausläufer der Andengipfel.

- Bariloche ist Argentiniens Schokoladen-Hauptstadt: Jedes dritte Geschäft in der Fußgängerzone widmet sich der süßen Spezialität. Zur Qualität nur so viel: Für nur 14 Peso (= 3,50 Euro) habe ich 250 Gramm Gemischtes gekauft (von Weiße Mandel über Bananenmousse bis Vanillecreme) und nach rund 15 Minuten war die Packung leer. Ich wiederhole: 250 Gramm!

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Schokolade so weit das Auge reicht: In Bariloche, Argentinien

- In Bariloche gibt meiner rein subjektiven Meinung nach die schönsten Frauen Südamerikas - entweder das, oder es war gerade ein Model-Wettbewerb in der Stadt. Der (verschmerzbare) Nachteil: In meinem Backpacker-Outfit fühlte ich mich inmitten der dem letzten Modetrend versklavten Schönheiten wie Angela Merkel beim Wiener Opernball.

- Trotz meiner miserablen Spanischkenntnisse habe ich mich fast täglich mit Einheimischen unterhalten (nein, leider war keine der Schönheiten darunter). Argentinier sind wirklich unglaublich freundlich, aufgeschlossen und - in meinem Fall - extrem geduldig.

- Nur ein Wort: Rindfleisch. Saftig-zart, dick wie ein Coelho-Roman und so groß, dass es beinahe über den Teller lappt. Das Beste daran: Im Restaurant gibt es das Ganze für unter 10 US-Dollar.

Wenn man nun noch bedenkt, dass Argentinien die Heimat des legendären Diego Maradonas ist, dann frage ich ernsthaft: Wie kann man dieses Land nicht lieben?
Entsprechend habe ich meine ursprünglichen Weiterreisepläne verworfen und kurzerhand sechs wunderschöne Tage in Bariloche verbracht. Unter anderem habe ich dabei den Circuito Chico absolviert - eine 65 Kilometer lange Tour rund um die Seen und Berge der Umgebung, die auf der To-Do-Liste von fast jedem Bariloche-Touristen steht. Die Mehrzahl steigt hierfür in einen der zahlreichen Tour-Busse und nur die Austrainierten entscheiden sich für das Fahrrad. Was passiert wenn Unfitte sich überschätzen und Jan Ullrich spielen, kann ich euch aus eigener Erfahrung berichten. Als ich nach rund sieben Stunden vom Fahrrad stieg, fühlten sich meine Knie wie geschmolzene Marshmallows an und noch drei Tage danach habe ich einen Bogen um jeden Stuhl gemacht. Aus Sauerstoffmangel konnte ich die Landschaft während der Fahrt nicht wirklich gebührend würdigen, doch glücklicherweise hatte ich meine Kamera dabei und die zahlreichen Fotos beweisen, dass die versprochenen Panorama-Ausblicke tatsächlich atemberaubend waren.

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Ausblick vom Punto Panoramico auf dem Circuito Chico

Kaum hatte ich mich davon erholt, ging es auch schon zur nächsten Aktivität: Einer Zwei-Tages-Wanderung im nahen Huapi Nationalpark. Dankbarerweise war diese weniger anstrengend, doch nicht minder beeindruckend. Vom Parkeingang ging es etwa sechs Stunden lang in Serpentinen auf den Mount Tronador: Anfangs durch Wald, später auf Trampelpfaden durch dichtes Gestrüpp und schließlich oberhalb der Baumgrenze über karges Geröll. Die Nacht verbrachten wir im heimisch klingenden Refugio Otto Meiling - einer auf 2050 Meter gelegenen Hütte, die unmittelbar zwischen zwei Gletscherzungen liegt. Man brauchte nur aus dem Fenster zu blicken und keine 100 Meter entfernt türmten sich die beeindruckenden Eismassen.

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Wind und Kälte zum Trotz: In Shorts auf dem Gletscher

Nun geht es morgen also wieder zurück nach Chile und bei so viel Aufregung um Argentinien und Bariloche hätte ich fast den anstehenden Kindheitstraum vergessen. Doch da ich bis heute keine anders lautende E-Mail von Navimag erhalten habe, gehe ich davon aus, dass es am 9. April losgeht: Von Puerto Montt drei Tage lang mit dem Schiff durch die Fjorde Patagoniens nach Puerto Natales. In diesem Sinne verabschiede ich mich von Argentinien mit einem hasta luego - bis bald.

"Wie, schon wieder Fotos?" Ja, aber was kann ich denn dafür, dass Bariloche ein Paradies für landschaftliche Panorama-Aufnahmen ist?

* England (am Londoner Flughafen hatte ich eine Stunde Aufenthalt), Hongkong und Macao nicht mitgezählt.