17 April 2007

Argentinien - ein Nachtrag

Wir sitzen in einem Restaurant in Argentinien. Vor uns türmen sich saftige Steaks auf den Tellern. Wir, das sind Tim, Joni, Vince und ich. Oder in Ländern ausgedrückt: USA, Israel, England und Deutschland. Was sich anhört wie ein Nahost-Friedensgipfel ist für Backpacker nichts Besonderes: Fast täglich trifft man neue Reisende aus aller Welt. Joni habe ich am Vormittag in der Küche meines Hostels kennen gelernt. Während ich wie so häufig Spaghettiwasser aufsetzte, schnitt er Kartoffeln für Pommes Frites zurecht. Nachdem wir uns einige Minuten unterhalten hatten, fragte er mich, ob ich nicht Lust hätte, mit ihm Abend zu essen. Ebenfalls dabei wären zwei weitere Backpacker, die er zuvor auf einem Ausflug kennen gelernt hat: Tim und Vince.
Nun sitzen wir also zu viert am Tisch. Keiner kennt den anderen länger als 24 Stunden. Fast zwangsläufig nimmt die Unterhaltung die bekannten Formen an: Woher man kommt, wie lange man unterwegs ist und welche Länder man bereits besucht hat bzw. noch besuchen wird. München ist dabei übrigens eine äußerst dankbare Heimat, denn die Stadt bietet gleich drei Gesprächsanfänge: Das weltbekannte Oktoberfest, Bayern München und seit diesem Sommer die Fußball-WM.
Während die Fleischberge vor uns langsam kleiner werden, kommt die Unterhaltung in Gang. Es wird gescherzt, es wird gelacht. Schließlich ist Joni an der Reihe. "Ich komme aus Tel Aviv", erklärt er leise und auf einen Schlag wird es ruhig am Tisch. Tel Aviv, das ist wie Bagdad, Jerusalem oder Kabul: Ferne, unbekannte Orte, die man ausschließlich aus den Abendnachrichten kennt. Halb Deutschland kann Tel Aviv mittlerweile auf einer Israelkarte einzeichnen - so häufig hat man sie in Fernsehen und Zeitung gesehen. Fast zwangsläufig kommt die Rede auf den Nahostkonflikt. "Wie hat das Ganze noch einmal genau angefangen", fragt Vince in die Runde. Doch jeder weiß, dass er sich eigentlich an Joni richtet.
Nach einer kurzen Pause fängt dieser an zu erzählen: Judenverfolgung, Zweiter Weltkrieg und Holocaust. Obwohl ich einer Generation angehöre, die jenen Teil der deutschen Historie lediglich aus dem Geschichtsunterricht kennt, zucke ich bei den Begriffen unweigerlich zusammen. Unterdessen hat Joni von der Gründung Israels berichtet und den Konflikten mit den benachbarten, arabischen Staaten. Später wird er mir verraten, dass er diesen historischen Abriss bereits unzählige Male auf seiner Reise vorgetragen hat. Ständig trifft er auf Backpacker, die mehr über den scheinbar ewigen Konflikt erfahren wollen.
Intifada, Selbstmordattentäter, Scharon, Arafat, Westbank und Gazastreifen - die Steaks sind inzwischen kalt und wir bei Begriffen angelangt, die praktisch jedem Europäer geläufig sind. "Der ganze Konflikt ist derart facettenreich und kompliziert, dass selbst ich nicht alle Probleme verstehe", erklärt Joni. Sein Bericht klingt ungewohnt, wenn man die ausgeklügelten Reden von Politikern und Lobbyisten gewohnt ist. In Jonis Stimme ist kein Hass, es sind keine Überredungsversuche und keine Rechtfertigungen - eher klingt Resignation durch. Ganz um Ende sagt er schließlich jenen Satz, mit dem er seine Erzählung jedes Mal beschließt: "Das Schlimmste an dem Konflikt ist, dass es einfach keine Lösung gibt. Deshalb wird das Bomben und Töten weitergehen - immer weiter."