20 April 2007

Bettgenossen auf der Weltreise

Der Garchinger Journalist Patrik Stäbler hat im Sommer sein Studium beendet. Nun erfüllt sich der 27-Jährige einen Traum: In sieben Monaten reist er einmal um die Welt. An dieser Stelle berichtet er alle zwei Wochen von seinen Erlebnissen.

Puerto Natales, Chile (ps) - Ein halbes Jahr reise ich nun schon um die Welt und wenn ich unterwegs von meiner Tour berichte, höre ich oft dieselbe Frage: "Hast du nicht Heimweh?" Nun will ich niemand verärgern, doch meine Antwort darauf lautet: "Nein, nicht im Geringsten." Zugegeben, es gibt Dinge, die ich vermisse: Freunde, ein Samstagnachmittag vor dem Radio bei "Heute im Stadion" oder das Essen von Mutter, wenn ich am Wochenende zu Besuch bin. Und ganz oben auf der Liste: Eine Nacht im eigenen Bett. Denn nach Monaten in diversen Schlafsälen kann ich es kaum erwarten, wieder allein in einem Raum zu nächtigen.
Sicher, in den Gemeinschaftszimmern lernt man viele Reisende kennen, doch oft bezahlt man dafür einen hohen Preis: Die nächtliche Ruhe. Eher harmlos ist da noch der schnarchende Zimmerkollege. Grunzen, Röcheln und die klassische Säge - mittlerweile bin ich Experte in nächtlichen Atemgeräuschen. Schlimmer als jeder Schnarcher ist Störenfried Nummer zwei: Der partyhungrige Backpacker. Pünktlich um drei Uhr nachts wankt er mit dem letzten Bier in der Hand ins Zimmer. Hat man Glück, kracht er auf den Boden und bleibt dort regungslos liegen. Hat man Pech, macht sich der Partygänger auf die Suche nach seinem Bett. Das Problem: Oft weiß er nicht mehr, welches das ist. So ist es schon vorgekommen, dass ich mich schlaftrunken im Bett umdrehte, nur um neben mir eine schlummernde Bierleiche vorzufinden, die friedlich auf das Kissen sabbert. Die übelsten Bettgenossen sind jedoch nicht andere Reisende, sondern so genannte "bed bugs" – auf Deutsch: Bettflöhe. Zum Glück bin ich bisher verschont geblieben, doch die in Schlafsäcken und Matratzen nistenden Biester können einem den ganzen Urlaub verderben. In Santiago traf ich eine Amerikanerin, die es besonders schlimm erwischt hatte. Von Kopf bis Fuß war sie mit roten Pusteln übersäht. "Juckt schlimmer als jeder Mückenstich", versicherte sie mit schmerzverzerrtem Gesicht.
Dabei gab es auch Herbergen, in denen ich mich auf Anhieb wohl fühlte. Nahe Talca in Chile nächtigte ich etwa in einem vorbildlichen Hostel eines emigrierten Österreichers. Das Zimmer war geräumig, das Bett bequem und das Bad sauberer als manche Küche, in der ich auf meiner Reise gekocht habe. Das Beste war jedoch das Frühstück: Statt Instant-Pulver gab es frischen Kaffee, dazu Obst, Joghurt und hausgemachtes Brot. Nach Wochen labbriger Toastscheiben schmeckte Letzteres besser als jedes argentinische Steak. Und ganz ehrlich: Beim ersten Bissen kam ein Fünkchen Heimweh auf.

In: Münchner Merkur, 21./22. April