08 April 2007

Reisen mit Hindernissen

Der Garchinger Journalist Patrik Stäbler hat im Sommer sein Studium beendet. Nun erfüllt sich der 27-Jährige einen Traum: In sieben Monaten reist er einmal um die Welt. An dieser Stelle berichtet er alle zwei Wochen von seinen Erlebnissen.

Pucon, Chile (ps) - Ich stehe vor der Frischwarentheke im Supermarkt. Vor mir liegen Teigtaschen, Gebäckrollen und Sandwiches, wie ich sie noch nie zuvor gesehen habe. Das ist gut, denn ich habe Hunger. Es gibt nur ein Problem: Ich bin in Chile und mein Spanisch ist etwa so ausgereift wie die Rentenpläne der Bundesregierung – also mehr als dürftig. Doch ich lasse es auf einen Versuch ankommen. "Empanada de pino": ich weiß zwar nicht, was das bedeutet, doch die Teigtasche neben dem Schild sieht verlockend aus. Ich lächle die Verkäuferin an und zeige auf das Gewünschte. Sie greift nach der Teigtasche, platziert sie auf einem Pappteller und fast wähne ich mich am Ziel. Doch dann geschieht das Unvermeidliche: Sie stellt eine Frage – in Spanisch – und ich verstehe kein Wort. Will sie wissen, ob ich noch etwas möchte? Fragt sie nach meiner Telefonnummer? Oder ist sie schlecht gelaunt und hat mich gerade beleidigt? Aufs Geratewohl antworte ich mit "si, señora". Daraufhin nimmt sie die Teigtasche und steckt sie in den Ofen. Ja war offenbar die richtige Antwort, denn Empanadas isst man anscheinend warm.
Es gibt eine umstrittene US-Studie, die besagt, dass 55 Prozent einer Botschaft durch nonverbale Elemente wie Mimik und Gestik vermittelt wird. Nur sieben Prozent entfallen demnach auf den Inhalt der Worte. Nach zwei Wochen Südamerika weiß ich: Das ist Unsinn. Vielmehr stimme ich dem Reiseführer zu. Er warnt: "Ohne Spanischkenntnisse hat man es in Südamerika schwer." Nicht nur im Supermarkt, sondern am Ticketschalter oder in Hotels – jedes Gespräch ist für mich ein Kampf. Meine Waffen: Ein Wörterbuch, wildes Gestikulieren und einfache Skizzen auf diversen Zetteln.

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Verständigungsversuch mit Wörterbuch: In Argentinien

Was mich jedoch am meisten überrascht, ist die Geduld und Offenheit der Leute. Obwohl ich jeden Dialog mit einem "ich spreche sehr schlecht Spanisch" beginne, scheint sie das nicht im Mindesten von Gesprächen abzuhalten. Fast kommt es mir vor, als wären sie froh, dass endlich jemand nur schweigend zuhört. So berichtete mir etwa eine ältere Dame an der Bushaltestelle lang und breit von ihrer Europareise. Oder zumindest vermute ich das, denn die einzigen Wörter, die ich verstand, waren Paris, Rom und Madrid. Dabei hatte ich nur nach einer Abfahrtszeit gefragt und ein simples Ja oder Nein erwartet. Ihr halbstündiger Monolog wurde erst durch den ankommenden Bus unterbrochen. Zum Abschied drückte sie mir strahlend einen Kuss auf die Wange und erst als sie schon eingestiegen war, murmelte ich leise: adios.